Die Sprache des Herzens
Ich bin öfters mal „allein zu Haus“, aber „allein ins Kino“ zu gehen war letzte Woche Freitag meine Premiere. Um den Film „Die Sprache des Herzens“ (Marie Heurtin) zu sehen, habe ich mir das „Kant-Kino“ in Berlin-Charlottenburg ausgesucht. In dem relativ kleinen Kino mit doch 5 Sälen kann man für die Kartenreservierung noch einfach auf einer Festnetznummer anrufen, ohne mit einer ellenlangen Hotline-Nummer in einer Dauerendlosschleife zu verhungern. Die nette Dame am Telefon war auch die an der Kasse und hat mir vor Filmbeginn zu einem Kaffee Latte verholfen. Von ihr dorthin begleitet, saß ich dann pünktlich zum Beginn der Vorstellung in dem kleinsten Saal von den Abmessungen eines größeren Wohnzimmers und, wen wundert‘s, mal wieder auf einer Couch. Auf der habe ich es mir mit Greta gemütlich gemacht. Plötzlich herrscht beklemmende Stille und absolute Finsternis, man taucht ein in die Welt der blinden und taubstummen Marie Heurtin Ende des 19ten Jahrhunderts in Frankreich. Auch Greta hat drei Sekunden gebraucht, um sich zu orientieren. Als 14jährige wird Marie in einem Institut aufgenommen, in dem sich Nonnen sehr liebevoll um taubstumme Mädchen kümmern und sie in Gebärdensprache unterrichten. Diesen Umstand hat die völlig verwahrloste und widerspenstige wie verängstigte Marie der Beharrlichkeit der jungen Schwester Marguerite zu verdanken. Die Schwester Oberin hält es für ausgeschlossen, an das Mädchen heranzukommen und ihr etwas beizubringen. Diesen Bedenken konnte sich der Zuschauer auch ohne Schwierigkeiten anschließen. Man muß sich selbst nur für kurze Zeit die Ohren zuhalten und die Augen fest zukneifen und kann sich dann leicht in die fast aussichtslose Lage beider Frauen versetzen. Fühlen, Tasten, Berührung am eigenen Körper zulassen und Riechen sind die Möglichkeiten, die Marguerite zur Verfügung stehen, um in die Welt der Marie einzudringen. Während das Publikum fasziniert der sanften, ruhigen Stimme der Nonne lauscht, zerreißt plötzlich das Schrillen eines Handys die Atmosphäre im Kinosaal. Es dauert eine Ewigkeit, bis das Teil aus den Untiefen einer Tasche gekruschtelt und mundtot gemacht wird. Mit an die eigenen Grenzen gehender Geduld und vielen Rückschlägen gelingt es der Schwester, zu Marie zu finden. Sie entwickelt im Laufe der Zeit eine Gebärdensprache, die nicht über das Sehen funktioniert. Als Marguerite nach zwei Jahren einer schweren Krankheit erliegt, ist Marie soweit, selbst anderen taubstummen und blinden Mädchen zu helfen. Wenn ich mich wegen zu lauter Geräusche oder erkältungsbedingt nicht wie gewohnt auf meine Ohren verlassen kann, fühle ich mich augenblicklich unwohl in meiner Haut und verkrieche mich am liebsten in ein Schneckenhaus. Manchmal tue ich das auch, kann da aber im Gegensatz zu Marie auch jederzeit wieder heraus. Geräusche deuten ist für mich wichtig, wenn ich mich gelegentlich auch „verdeute“. Die Hörfilmbeschreibung war sowohl seitens des Textes als auch der Stimme des Sprechers herausragend gut!!!
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