Blog Blindgaengerin

September 2015

Eine weiße Tür in einer weißen Wand. An der Tür hängt ein brauner Bilderrahmen, die Bildfläche ist weiß. Davor steht die Blindgängerin, in der erhobenen Hand hält sie einen Ringpinsel mit weißer Farbe daran.

Ich und Kaminski

Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses und beneidenswert frei! Kann man ein weißes Bild mit weißen Streifen als Kunst durchgehen lassen? Der Streit über diese Frage stellt die langjährige Freundschaft dreier Männer in dem 1994 in Paris uraufgeführten Theaterstück „Kunst“ von Yasmina Reza auf eine harte Probe. Der stolze Eigentümer muß sein weißes weiß gestreiftes Bild als Kunstwerk und den dafür gezahlten Preis in Höhe von 200.000 französischen Francs gegen die spitzen Verbalattacken seines Freundes verteidigen. Der dritte im Bunde versucht, zwischen den Streithähnen zu vermitteln. Diesen amüsanten mit viel Wortwitz geführten Disput verfolgte ich vor vielen Jahren im Heidelberger Zimmertheater. Das Zimmer faßt ungefähr 100 Besucher und die erste Reihe gehört schon fast mit zur Bühnenkulisse. Als der Gegner des Bildes im Eifer des Wortgefechtes dieses als „weiße Scheiße“ betitelte, passierte es! Eine Dame im Publikum steckte mit ihrem glucksenden und nicht enden wollenden Lachanfall zuerst nach und nach alle Theaterbesucher an, schließlich aber auch die drei Schauspieler, die so für einige Minuten außer Gefecht gesetzt wurden. Viele Menschen können es kaum erwarten, bis die ersten Schneeflocken spätestens zu Weihnachten alles in eine Winterlandschaft verwandeln. Besonders nervös beobachten „gepriesen sind die Skifahrer“ ab Mitte Dezember die sich in den Bergen ansammelnden Schneemassen. Seit diesem Theaterbesuch verfluche ich die weiße Schneepracht jedenfalls im Alltag als „weiße Scheiße“, durch die ich mich mit dem weißen Stock wühlen muß, ohne von den mir vertrauten und gewohnten Geräuschen geleitet zu werden. Um gleich mehrere Bilder geht es auch in dem vor kurzem angelaufenen Film „Ich und Kaminski“. Vor dem Kinostart eröffnete im Bikini Berlin die Ausstellung „Retrospektive Kaminski“, in der erstmals für einige Tage Bilder aus seiner „Blinden Serie“ zu sehen waren. Manuel Kaminski wurde Mitte der 60er Jahre als The Blind Painter berühmt, hatte in den großen Museen der Welt einige Ausstellungen und geriet nach seinem plötzlichen Rückzug in Vergessenheit, heißt es. Er wird in einem Atemzug mit Henri Matisse, Andy Warhol, Claes Oldenburg und Pablo Picasso genannt und sei einer der letzten Überlebenden der klassischen Moderne. Anfang des 20. Jahrhunderts kam eine Vielfalt neuer Kunststile auf, die alles bisher dagewesene revolutionierten, so in Frankreich der Kubismus, in Rußland der Konstruktivismus und in Deutschland das Bauhaus. Die Künstler der klassischen Moderne entwickelten sich weg von der gegenständlichen Malerei hin zur Abstraktion, um die Wahrheit hinter den Dingen zu ergründen. Sehr oft lassen sie allerdings die Betrachter ihrer Werke über ihre so gewonnenen Erkenntnisse im Unklaren. Die Sache mit Kaminski hat allerdings einen Kunstfehler. Der blinde Maler ist eine Kunstfigur des Schriftstellers Daniel Kehlmann in seinem 2003 erschienenen und jetzt verfilmten Roman „Ich und Kaminski“. Die Künstler Matisse, Warhol und Picasso sind in aller Munde und sogar mir als Kunstunbeflissener ein Begriff. Daß ich von Kaminski noch nie etwas gehört hatte, war für mich aber kein Grund, an seiner Existenz zu zweifeln. Erst das erfolglose Googeln machte mich stutzig. Wer, wenn nicht Kaminski, steckt hinter den Bildern, die in der Ausstellung „Retrospektive Kaminski“ zu sehen sind? Das Art-Magazin spekulierte in einem Artikel, die „Blinde Serie“ im Gruselstil könnte von der Hand des US-amerikanischen Musikers und Künstlers Marilyn Manson stammen. Im Film jedenfalls sucht der Kunstjournalist Sebastian Zöllner (Daniel Brühl) den blinden Maler Kaminski (Jesper Christensen) in dessen Chalet in den Schweizer Alpen auf, um über den inzwischen alten Mann eine Biographie zu schreiben. Schon bei der Vorankündigung im August war mir sofort klar, daß ich mir das außergewöhnliche und hochinteressante Duo unbedingt in voller Filmlänge anschauen muß. Blinde tun, abgesehen vom eigenhändigen Führen von Fortbewegungsmitteln in der Luft, zu Wasser oder auf der Straße, fast alles, was auch die sehende Welt tut, und das ist gut so! Dazu gehören neben allen Sportarten beispielsweise das Fotografieren und natürlich auch das Malen. Ich hatte noch nie Freude daran, etwas außer Buchstaben aufs Papier zu bringen, und meine malerischen Fähigkeiten reichen wahrscheinlich nur zu einem weißen Bild mit weißen Streifen. Schon in der Schule war mir der Kunstunterricht ziemlich verhaßt. Noch wie heute kann ich mich an die aussichtslose Anstrengung erinnern, wie ich mit meiner Lupenbrille fünf cm über dem Millimeterpapier maßstabgetreu den Grundriß des Speyerer Doms übertragen sollte. Auch im Park zu sitzen und einen herbstlich belaubten Baum zu zeichnen, fand ich einfach nur lästig. Bei meinen kindlichen Malversuchen mit Wasserfarben hatte ich in kurzer Zeit den Tuschkasten geflutet und aus allen Farbtöpfchen eine undefinierbare Mischung angerührt. Was schließlich mit dem Pinsel den Weg auf das Papier gefunden hatte, wäre mit viel gutem Willen vielleicht als extrem klassische Moderne durchgegangen. Spaß gemacht hat mir das Malen mit Fingerfarben, das Werkeln mit Kartoffeldruck und Linoleumschnitt und das Formen von Knetmasse und Ton, eben Material, das ich direkt mit den Fingern bearbeiten konnte, ohne eine künstliche Verlängerung durch einen Stift oder Pinsel kontrollieren zu müssen. Genauso gespannt wie der fiktive Kunstjournalist bin auch ich zu erfahren, wie und ob der fiktive und vielleicht auch fiktiv blinde Maler Kaminski die in dem Film real auftauchenden und in der Ausstellung real ausgestellten Bilder gemalt hat. Jemand hat zu meiner großen Freude meinen ganz leise geäußerten Wunschgedanken erhört und die Bildbeschreibung für den Film über die App von Greta hörbar gemacht. Hoffentlich waren die Dialogpausen lang genug, um die angeblich im Gruselstil gemalten Bilder zu beschreiben. Sobald ich wieder in die Nähe eines deutschsprachigen Kinos komme, haben ich und „Ich und Kaminski“ einen Termin. Danach besteige ich mit Greta, Popcorn und einer Cola den Mount Everest. Aber jetzt gehe ich erst einmal an den Strand!

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45 Years

Das Edelmetall Silber ist ein chemisches Element, hat eine weißliche Farbe und wird vorzugsweise zu Schmuck verarbeitet. Messing ist das Produkt einer künstlich erzeugten Legierung aus den Metallen Kupfer und Zink. Seine Farbe variiert zwischen goldbraun und goldgelb, je nach der Konzentration des Kupfer- oder Zinkanteils. Aus Messing werden Türklinken und Kerzenständer gefertigt, Messingbeschläge zieren alte Holzboote. Bei der diesjährigen Berlinale gab es gleich zweimal Silber für eine Messinghochzeit. Mit den Silbernen Bären honorierte die Jury die herausragende schauspielerische Leistung der Hauptdarsteller Charlotte Rampling und Tom Courtenay in dem Film „45 Years“. Die beiden stecken als das Ehepaar Kate und Geoff Mercer in einem Vorbereitungscountdown für ein großes Fest, mit dem sie ihren 45. Hochzeitstag, die Messinghochzeit, feiern möchten. Seit langem werden Hochzeitsjubiläen feierlich begangen und jeder Feiertag hat einen eigenen Namen mit entsprechenden Bedeutungen und Bräuchen. Los geht es bereits mit dem ersten Jahrestag, der Papierhochzeit. Im 18. Jahrhundert gab es den Brauch, daß sich die Eheleute nach 35 Jahren zur Leinwandhochzeit auf einer Leinwand verewigen ließen. Hätte ich geheiratet, feierte ich dieses Jahr die Perlenhochzeit. Auch ohne das behördlich dokumentierte und kirchlich abgesegnete Ja-Wort reihen sich 30 Perlen auf der Perlenkette, einfach nur aus Liebe, erst recht ein Grund zum Feiern! Üblicherweise werden Hochzeitsjubiläen zwischen den Eheleuten oder im engsten Familienkreis begangen. Kate und Geoff wollen ihre Messinghochzeit genau so wie damals ihre Hochzeit feiern: Mit einem rauschenden Fest in einem festlich geschmückten großen Saal, mit all ihren Freunden. Wie beim Messing das Kupfer und das Zink, gehen die Ehepartner eine Verbindung ein. Nach 45 Jahren sind sie aufeinander eingespielt und eine Trennung scheint höchst unwahrscheinlich. Sinnbildlich ist die Ehe nun genauso hart und schwer verformbar wie Messing. Soweit jedenfalls die Theorie! Mitten in die Vorbereitungen des Jahrestages flattert ein an Geoff adressierter Brief aus der Schweiz ins Haus. Die Schweizer Behörden teilen ihm mit, daß man jetzt seine vor 50 Jahren tödlich verunglückte Jugendliebe aus einer Gletscherspalte bergen konnte. Bei einer gemeinsamen Wanderung, begleitet von einem ortskundigen Führer, war Katya damals vor Geoffs Augen in die Tiefe gestürzt. Dieser Brief vermag es, sowohl die Alltagsroutine als auch den Hochzeitstagsvorbereitungsmarathon empfindlich zu stören. Die Kameraführung läßt sich viel Zeit, die Blicke und Gesten der beiden einzufangen, mit denen sie ihre sich langsam ändernden Gefühle für einander zum Ausdruck bringen. So nahe sich Kate und Geoff zu sein schienen, so erschreckend ist es anzuschauen, wie sich Kate allmählich in die Eifersucht auf Geoffs Liebe weit vor ihrer Zeit hineinsteigert und alles heutige in Frage stellt. Geoff wird von der Nachricht 50 Jahre zurückkatapultiert. Er hängt den Erinnerungen an seine erste große Liebe nach und sein Interesse an den Vorbereitungen für den großen Tag bewegt sich gegen null. Als Kate ihn so lange löchert, bis er offen ausspricht, daß er Katya geheiratet hätte, die auch noch ein Kind von ihm erwartete, gibt ihr das den Rest. Der Volksmund sagt, die Augen seien das Tor zur Seele. Geöffnet wird das Tor über den Augenkontakt. Mit einem Blick in die Augen läßt sich die Gefühlsregung des Gegenübers ergründen und Nähe aufbauen. Um sich zu verstehen, reichen Blicke und es bedarf keiner Worte. Diese Möglichkeit der Kommunikation, von der Kate und Geoff reichlich Gebrauch machen, bleibt mir leider versagt. Ich brauche das gesprochene Wort oder zumindest ein zu hörendes Seufzen, Atmen, Ächzen, und versuche anhand der Stimmung der Stimme, die Gefühlsstimmung zu erraten. Schon die kleinste Veränderung der Mimik, z.B. der Mundwinkel oder der Augenbrauen, wirkt sich für mich hörbar auf die Stimme aus. Man wird wohl kaum im Brustton der Überzeugung etwas in die Welt posaunen und dabei überrascht eine Augenbraue nach oben ziehen. Sehr treffend hat es ein Texter namens Günther Damm 1968 auf den Punkt gebracht: „Wenn die Augen das Tor zur Seele sind, sind die Ohren der Geheimgang.“ Aber was nutzen mir meine Ohren, wenn eben nicht gesprochen, sondern nur geblickt und gestikuliert wird? Die Rettung ist wieder einmal die Hörfilmbeschreibung. Neben „Fack ju Göhte 2“ ist „45 Years“ der zweite am Donnerstag vor zehn Tagen gestartete Film, bei dem die Hörfilmbeschreibung mit der App von Greta über den Geheimgang in mein Ohr gelangte. Selten haben die Bildbeschreiber die Gelegenheit, die Menschen, ihr Verhalten und das Umfeld so detailliert zu beschreiben, wie bei diesem Film der wenigen Worte. Ich glaube, kein Blick, Achselzucken, zur Seite schauen, einfach jede noch so minimalistische Nuance und Veränderung der Körperhaltung und der Mimik wurde mir vorenthalten. Das Haus der beiden habe ich mir vor meinem geistigen Auge eingerichtet. Dank der Spaziergänge Kates mit dem Hund Max konnte ich mir auch von der ländlichen Gegend der britischen Grafschaft Norfolk eine Vorstellung machen. Max‘ Beschreibung wurde, glaube ich, vergessen. Der Text der Bildbeschreibung hat mir sehr gut gefallen. Mit der Stimme der Sprecherin, oder vielmehr ihrer Sprachmelodie, konnte ich nicht so recht warm werden. Trotz aller Irrungen und Wirrungen der Gefühle lassen sich zu guter Letzt die Eheleute dann doch von ihren Freunden zur Messinghochzeit gratulieren und feiern. Geoff kämpft bei seiner Ansprache an die Geladenen mit den Tränen. Er eröffnet mit Kate zu ihrem Song von damals den Tanz, der vielleicht der letzte der beiden sein könnte. Eine sehr nette Frau hatte mich schon an der Kinokasse unter ihre Fittiche genommen und wir verließen beide gleichermaßen beeindruckt von dem Film das Kino. Ich konnte sie allerdings nicht wirklich davon überzeugen, daß und wie sich mir der für die Augen gemachte Film nur über die Ohren erschließen konnte.

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Ein sehr alter Schreibsekretär mit offener Klappe. Auf dem Sekretär eine Kuhglocke und ein hoher schwarzer Hut, auf dem ein Apfel liegt, in dem drei Pfeile stecken. Darüber ein goldgerahmter Wandspiegel, aus dem eine Teufelsmaske schaut. Vor dem Sekretär sitzt die Blindgängerin und blättert bei Kerzenschein in zwei alten Büchern. Sie hat die Haare zurückgekämmt und trägt eine langärmelige weiße Bluse mit goldenen Borten.

Fack ju Göhte 2

Goethe oder Schiller, wer macht das Rennen? Johann Wolfgang von Goethe und Johann Christoph Friedrich von Schiller zählen zu den bedeutendsten Klassikern der deutschsprachigen Literatur. Goethe wurde 1749 in Frankfurt am Main und Schiller 1759 in einem kleinen württembergischen Städtchen am Neckar geboren. Beide wurden vor ihrem Tod geadelt und starben 1832 bzw. 1805 in Weimar. Die Dichterfreunde gehörten neben Wieland und Herder dem „Viergestirn der Weimarer Klassik“ an und waren zwei der vielen jungen Autoren des Sturm und Drang. Bei „Fack ju Göhte 2“ gehen die zwei Johanns als Namensträger zweier Schulen ins Rennen. Die schon im ersten Film auffällig gewordene Goethe-Gesamtschule GGS trifft auf das elitäre Schiller-Gymnasium SG. Die taffe Rektorin der GGS Gudrun Gerster (Katja Riemann) ist stets bemüht, ihre Schule im Schulranking auch mit unkonventionellen Maßnahmen nach vorne zu bringen und dem benachbarten Schiller-Gymnasium eins auszuwischen. Da kommt ihr der Vorschlag einer ihrer Lehrkräfte, mit einigen Schülern nach Thailand zu reisen, um dort der elitären Konkurrenz deren thailändische Partnerschule abspenstig zu machen, gerade recht. Die Lehrkraft heißt Zeki Müller (Elyas M’Barek) und ist von Beruf Kleinkrimineller mit einem Bildungsgrad nur unerheblich über dem seiner Schüler. Im Vorgängerfilm wollte er eigentlich nur als Hausmeister an der GGS anheuern, um seine unter der Sporthalle vergrabene Diebesbeute in Ruhe ausbuddeln zu können. Genau so wie in der Realität ist die gestreßte Rektorin auch im Film damit beschäftigt, ihren Lehrernotstand zu verwalten, und so stellt sie Zeki irrtümlicherweise trotz seiner haarsträubenden Ausdrucksweise als neuen Aushilfslehrer ein. Müller ist es völlig wurscht, ob er als Hausmeister oder Lehrer einen Tunnel zu seiner Beute buddeln kann. Die für den Lehrerjob nötigen Papiere werden eben produziert. Sehr schnell gelingt es ihm, sogar die Horrorschüler der 10 b mit ihren eigenen Waffen sehr einfallsreich und unorthodox zu zähmen und erfreut sich allgemeiner Beliebtheit. Vielleicht könnte sein Unterrichtsmodell in etwas ausgereifter Form Schule machen? Während seine Kinokollegin Frau Müller Anfang des Jahres partout weg mußte, wird der inzwischen vom Schulalltag und den Schülern genervte Zeki mittels seiner kriminellen Vergangenheit zum Bleiben an der Schule erpresst. Die Erpresserin ist seine Kollegin Elisabeth Schnabelstedt (Karoline Herfurth), die – frisch von der Universität – noch voller Ideale an ihren Bildungsauftrag glaubt und zu diesem Druckmittel natürlich nur aus Liebe greift. Auch bei „Fack ju Göhte 2“ kommt Zeki wieder an Diebesbeute und der ersehnte Absprung vom lästigen Schulalltag und der manchmal etwas anstrengenden Elisabeth scheint in greifbarer Nähe. Doch das Beutelchen entzieht sich schnell seinem Zugriff. Die Diamanten gelangen, versteckt in einem Stofftier, ausgerechnet in den Spendencontainer, mit dem das Schiller-Gymnasium bei seiner Partnerschule in Thailand punkten möchte. Zeki reist notgedrungen dem Stofftier hinterher, mit acht Schülern, davon vier aus der Horrorklasse 10 b, im Gepäck. Mit demselben Flug macht sich auch das überorganisierte Team der Konkurrenz, angeführt von dem Superbiologielehrer und Saubermann Hauke Wölki, auf den Weg. Zekis Schüler lassen keine Chance ungenutzt, sich und ihren Lehrer verbal wie nonverbal in die unmöglichsten Situationen zu manövrieren, und bringen Zeki an den Rand seines eigentlich so unerschöpflichen Gleichmuts. Warum der Film erst ab 12 Jahre freigegeben ist, kann ich mir nur mit der Szene erklären, bei der es Chantal in einer Bar gelingt, einen Tischtennisball in eine ihrer dafür eigentlich nicht vorgesehenen Körperöffnungen zu befördern und wieder frei zu geben. Bei seiner Suche nach den glitzernden Steinchen wird Zeki sowohl von seinen eigenen Nervensägen als auch dem konkurrierenden Spießerteam gestört. Als seine Schützlinge seinen Plan durchschauen, gelangen diese aber auch nur für die berühmte logische Sekunde in den Besitz der wertvollen Steine, um diese zu Zekis Entsetzen gleich wieder in James Bond-Manier auf den Meeresgrund zu versenken. Nach einer längst überfälligen Aussprache versprechen die Schüler, Zeki bei der Suche nach dem verlorengegangenen Schatz zu suchen, vorausgesetzt, er verspricht das scheinbar Unmögliche, nämlich die Bagage durchs Abitur zu bringen. Um ihren guten Willen zu zeigen, liest Chantal die gemeinschaftlich erstellte Zusammenfassung der Faust, äh, des Faust von dem Reclam vor. Armer Goethe! Im ersten Film spielt Elisabeth Schnabelstedt die weibliche erste Geige, wird aber hier recht schnell ausgebremst. Dafür schnäbelt sich die Schülerin Chantal (Jella Haase) liebenswert und antigrammatikalisch um Kopf und Kragen und ihre Mitschüler tun es ihr gleich. Der Drehbuchautor und Regisseur Bora Dagtekin überrascht des weiteren mit einer affenartigen Kokoskopfnuß, einer abgefackelten Hanfplantage und einem befleckten Saubermann. Eine Gruppe auf sich gestellter Waisenkinder, ein trauriges Relikt des Tsunami vor 11 Jahren, klaut, um zu überleben und bekommt dank Zekis Gurkentruppe doch noch eine Perspektive. Zum Durchatmen kommt man erst, wenn die frischgebackenen kleinen Sozialhelden der GGS wieder heimatlichen Boden unter den Füßen haben. Der Sprecher der Hörfilmbeschreibung ergänzte leicht spitzbübisch im schnellen Rhythmus des Filmes die unglaublichen Dialoge mit genauso unglaublichen Bildbeschreibungen. Klassenziel mehr als erreicht! Übrigens! Bei Wikipedia findet man zu dem Ausruf „Fuck you“, natürlich nur korrekt geschrieben, einen Hinweis auf den „Schwäbischen Gruß“ der da lautet: „Leck me am Arsch“. Der altehrwürdige Goethe (mit oe!) setzt diesem Zitat in seinem Schauspiel „Goetz von Berlichingen“ ein literarisches Denkmal. Er läßt den Goetz sagen: „Er aber, sag’s ihm, er kann mich im Arsche lecken!“ So schließt sich der Teufelskreis, Mephisto läßt grüßen.

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Zwei an einem Abend – natürlich Filme!

Der kleinste gemeinsame Nenner der beiden Filme ist das Produktionsland USA und daß eine der Hauptrollen von der Musik gespielt wird. Zuerst gab es ein chorales „Halleluja“ in Weiß und danach ein schwarzes gerapptes „Fuck Tha Police“. Genauso unterschiedlich wie die Filme war das Publikum, nur ich war beide Male dieselbe. In „Der Chor – Stimmen des Herzens“ durfte ich mich zu den Jüngeren zählen und die meisten verließen ergriffen flüsternd den Kinosaal. Nach einer einstündigen Pause saß ich wahrscheinlich als Älteste bei „Straight Outta Compton“ unter Hip-Hop- und Rap-begeistertem Jungvolk, das entsprechend geräuschvoll nachts gegen 02.00 Uhr mit mir mitten drin ins Freie strömte. 1741 schrieb der deutsch-britische Komponist Georg Friedrich Händel das dreiteilige Oratorium „Messias“ in A-Dur und D-Dur für Solisten, Chor, Orgel, Cembalo und Orchester. Mit genau diesem englischsprachigen Werk tritt einer der besten Jugendchöre der Welt, der US-amerikanische „National Boychoir“ bei einem Wettbewerb gegen seine internationale Konkurrenz an. Im zweiten Teil des Messias singt der Schlußchor das wohl jedem bekannte „Halleluja“. Um die Chance auf den heißbegehrten ersten Platz zu erhöhen, peppt die Chorleitung dieses „Halleluja“ mit einem eigens komponierten Solo auf, in dem das eigentlich unerreichbare hohe D gesungen werden muß. Auf meiner Gitarre habe ich dieses hohe D vergebens gesucht, es läßt sich nur mit der Technik des Flageolett-Tones erzeugen. Sogar der weltberühmte italienische Tenor Pavarotti wurde als Meister „nur“ des hohen C gefeiert. Im Film gelingt es immerhin zwei der 12-jährigen Knaben, ihrer Kehle diesen Ton zu entlocken. Einer der beiden ist Stet, gespielt von Garrett Wareing. Nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter durch einen Verkehrsunfall muß nun sein Vater die Verantwortung übernehmen, nachdem er sich 12 Jahre lang auf das Ausfüllen von Alimentenschecks beschränkt hatte. Für den Vater ist Stet die etwas lästige Folge eines 12 Jahre zurückliegenden „Verkehrsunfalls“. Bei seiner Frau und den beiden gemeinsamen Töchtern hat er die Existenz eines Sohnes sicherheitshalber unter den Tisch fallen lassen. Glücklicherweise gibt es überall auf der Welt Schulinternate und die Abschiebung auf ein solches, am besten auf einem anderen Kontinent, scheint ihm eine elegante Lösung des Problems zu sein. Dank seiner herausragenden Stimme und seines finanzkräftigen Vaters erhält Stet die – wenn auch zähneknirschende – Zustimmung des Direktoriums zur Aufnahme in das Musikinternat an der Ostküste mit der renommiertesten Chorschule der USA. Ihm gelingt damit eine rasante Fahrt mit dem sozialen Aufzug nach oben. Im Internat legt er sich mit fast all seinen hochnäsigen Mitschülern an und revoltiert bis auf eine Ausnahme gegen die Lehrerschaft. Aber der Film lechzt nach einem Happy End und bekommt das auch, abgesehen von einem Wermutströpfchen. Für die vorhersehbare und flache Filmhandlung entschädigen die wunderschöne unter die Haut gehende Chormusik und der 78-jährige Dustin Hoffman als charismatischer Chorleiter. Der kanadische musikerfahrene Regisseur François Girard gewährt uns Einblicke in den Schulalltag und besonders den Musikunterricht der Jungs. Der strenge Chorleiter Carvelle triezt seine Schüler mit Atemübungen, mathematischen Formeln ähnelnder Musiktheorie und straff geführten Proben zu Höchstleistungen. Aber um welchen Preis? Die Uhr tickt für uns alle in jeder Hinsicht, aber für die Chorknaben rasen die Zeiger besonders gnadenlos auf den alles beendenden Stimmbruch zu. Stet gelingt das Unmögliche und er brilliert beim „Halleluja“ mit dem hohen D. Meine Mutter singt, solange ich zurückdenken kann, in einem Bach-Chor und hat meine Zweifel beseitigt, ob der Junge uns wirklich das hohe D gegeben hat. Allerdings muß solch eine außerordentliche Leistung nicht unbedingt mit dem entsprechenden Genuß für die Ohren einhergehen. Kaum war das „Halleluja“ mit dem hohen D verstummt, gab es lauten Gangsta-Rap und Hip-Hop auf meine beiden Ohren. Im rechten Ohr hatte ich zusätzlich die Hörfilmbeschreibung, die mich auch dank der ruhigen Stimme des Sprechers über dieses Chaos rettete. „Straight Outta Compton“ heißt nicht nur der Film, sondern ist auch der Titel des am 08.08.1988 erschienenen Erfolgsalbums des Hip-Hop-Kollektivs N.W.A aus Compton im südlichen Großraum von Los Angeles. N.W.A. steht für „Niggaz Wit Attitudes“. Attitude bedeutet Haltung, innere Einstellung, ein großes Wort für die teilweise recht fragwürdigen Inhalte, die in das Publikum gerappt werden. Der Regisseur F. Gary Gray läßt in 147 Filmminuten neun Jahre Revue passieren, in denen die Fünf der N.W.A.-Crew 1986 klein anfangen, zu Ruhm und viel Geld kommen, sich bitter zerstreiten und sich zu guter Letzt 1995 am Sterbebett von Eazy-E wieder annähern. Die anderen vier, noch unter den Lebenden verweilenden Gründungsmitglieder heißen Dr. Dre, Ice Cube, DJ Yella und MC Ren. Mit dem Skandalsong „Fuck Tha Police“ von 1988 trafen die Fünf den Nerv ihrer Generation, sie wurden schlagartig als Helden gefeiert und kamen quasi über Nacht zu Geld und Ruhm. Nicht unerheblich verdanken sie diesen Erfolg der freundlichen Unterstützung durch das FBI, weil es das Zurückziehen der Platte erreichen wollte. Das Thema weiße Polizeigewalt gegen, wie darf ich eigentlich sagen, Farbige, ist heute leider immer noch aktuell. Aber die erste Filmszene, in der ein panzerähnliches Gefährt die Fassade eines Hauses niederwalzt, um ein vermutetes Drogengeschäft aufzudecken, ist so hoffentlich heute nicht einmal mehr in den USA möglich. Die unterschiedlich fließenden Geldströme führen recht schnell zu heftigen Streitereien und schließlich zum Bruch, was vor allem und wie auch eine Menge der Kohle auf das Konto des zwielichtigen Musikmanagers Jerry Heller geht. Während der gesamten Filmzeit lag immer eine Spannung in der Luft, die sich jederzeit zu einer saftigen Prügelei mit viel Scherben und immer einer Schnapsflasche in der Hand entladen konnte und auch entladen hat. Das weibliche Geschlecht übernimmt bis auf wenige Ausnahmen den Part, barbusig zur allgemeinen Erheiterung beizutragen. Obwohl immer mindestens drei Rapper gleichzeitig mit ihren kaum zu unterscheidenden Stimmen durcheinander quatschen, ist es den Hörfilmbeschreibern gelungen, das Chaos zu sortieren, bestimmt mit der einen oder anderen Schweißperle auf der Stirn. An meiner meist nur mäßigen Begeisterung für Rap und Hip-Hop konnte der Film nichts ändern und der Chorleiter Carvelle würde sich wahrscheinlich weigern, den Rap überhaupt als Musik durchgehen zu lassen. Aber die alte Volksweisheit „Wo man singt, da laß dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“ trifft zumindest teilweise auch auf die fünf Rapper zu. Ich mag Filme, in

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Frage und Antwort!

Die Fragen gestellt hat Tina Franziska Paulick, stellvertretend für das Team des Blogs https://bildbeschreibungen.wordpress.com Ich habe versucht, so präzise wie möglich zu antworten. Der erste von zwei Teilen des Interviews ist zu finden unter https://bildbeschreibungen.wordpress.com/2015/09/02/interview-mit-einer-kinoblindgaengerin-teil-1/ Eigentlich sitzen sich bei einem Interview, wie der Begriff schon sagt, die Gesprächspartner von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Das war uns auf Grund der Entfernung leider nicht möglich. Wir hatten aber auch von Rechner zu Rechner eine persönliche und lockere Gesprächsatmosphäre und sind uns auf einer Wellenlänge begegnet.

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