Dieser Weg wird kein leichter sein!
Ihr wollt heute Abend essen gehen? Mit Eurem Freund, der im Rollstuhl sitzt? Kein Problem, jedes halbwegs neue Restaurant muß einen barrierefreien Zugang haben, dafür sorgt fürsorglich der Gesetzgeber. Ob Käsespätzle, Eisbein mit Sauerkraut, Weißwurst oder Ostseescholle, alles kein Problem! Ach, Ihr wollt heute lieber mal zum Chinesen oder zum Griechen? Euch steht der Sinn nach Spaghetti Carbonara e una Coca-Cola? Tja, dann muß Euer Kumpel zu Hause bleiben, denn für die chinesische, griechische oder italienische Küche gilt das Gesetz natürlich nicht, nur für deutsche Gerichte. Das ist absurd? Ja, ist es! Es stimmt ja auch nicht, die Regel gilt für alle. Jedenfalls im Restaurant, im Kino aber nicht! Das ist genauso absurd, aber da ist es tatsächlich so. Im Kino steht für Menschen mit Seh- und Hörbeeinträchtigungen nur der deutsche Film auf dem Programm! Die meisten internationalen Filmtitel dagegen rauschen ohne Audiodeskription und Untertitel ungehört und ungesehen an den beiden Zielgruppen vorbei. Das waren im letzten Jahr immerhin 340 der insgesamt 610 in den Kinos gezeigten Filme. Wird eine Filmproduktion mit deutschen Geldern gefördert, muß auch eine barrierefreie Fassung hergestellt werden, also Audiodeskription und Untertitel. Auch an den Kosten hierfür beteiligt sich die Filmförderung. Bei Filmen, die im Ausland ohne deutsche finanzielle Beteiligung gedreht wurden, kommt diese Vorschrift natürlich nicht zum Zuge. Und eine andere, auf diese Fälle zugeschnittene Regelung gibt es nicht. So kommt es zu der absurden Situation, die im kulinarischen Bereich undenkbar wäre. Aktuelle prominente Beispiele für dieses Dilemma sind „La La Land“ „The Salesman“ und „Moonlight“. Aber für Licht im Dunkel sorgt der Verleih Universal Pictures, der seit einigen Jahren seine Filme barrierefrei bereitstellt, 19 Filme in 2016. Großartig ist auch, daß Disney im letzten Herbst nachzog und seitdem seine Filme zugänglich macht (fünf in 2016). Aber für die meisten Verleiher sind die Kosten für eine barrierefreie Fassung (im Schnitt 8.500 Euro pro Film) ein Problem. Zumal für die kostenintensive Synchronisation und die Vermarktung internationaler Filme so gut wie keine Fördergelder vorgesehen sind. Dennoch haben sich vereinzelt auch unabhängige Verleiher wie z.B. Neue Visionen und Piffl Medien mit der Firma Audioskript diesbezüglich engagiert. Und die Kinoblindgänger gGmbH war mit zwei Filmen dabei! Die Bundesrepublik ratifizierte im Februar 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention. Nach Artikel 30 ist die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am kulturellen Leben, ausdrücklich auch der Zugang zu Filmen, sicherzustellen. Es kann nicht im Sinne dieser Vorschrift sein, den Begriff „Filme“ allein auf „deutsche Filme“ zu beschränken. Da der internationale Film wohl auch in Zukunft sehr stark in den Kinos vertreten sein wird, muß trotz des lobenswerten Engagements aller Beteiligten hier eine grundsätzliche Lösung gefunden werden! Wie wäre es zur Entlastung der Verleiher mit einem unbürokratisch gestalteten Fond? Schon für 3 Millionen Euro pro Jahr könnten bei durchschnittlichen Kosten von 8.500 Euro 350 internationale Filme genießbar für alle gemacht werden. Der Jahresetat des deutschen Filmförderfonds (DFFF) wurde vor kurzem spontan von 75 auf 150 Millionen Euro aufgestockt, das nur so am Rande. Schwieriger wird es wahrscheinlich, eine Institution zu finden, die für den barrierefreien internationalen Film zuständig ist und sich auch fühlt. Das könnte z.B. die Bundesbeauftragte für Medien und Kultur, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Wirtschaftsministerium oder auch die Filmförderungsanstalt (FFA) sein. Und noch eine Hürde gibt es zu nehmen: Was bringt es einem Restaurantbesucher, wenn er sich das leckerste Essen bestellt und das zwar in der Küche zubereitet wird, aber einfach nicht den Weg auf seinen Tisch findet? Nichts, und ganz ähnlich ist die Lage bei vielen barrierefreien Filmfassungen, die im Kinosaal dann doch nicht den Weg in die Ohren und Augen der Kinobesucher finden. Eine Möglichkeit ist es z. B., in allen 4739 Kinosälen entsprechende Techniken zu installieren. Das ist in den vergangenen Jahren in ca. 30 Sälen geschehen. Wieviel wird es kosten, auch die verbleibenden abgerundet 4.700 Leinwände technisch auszustatten? Mindestens 21 Millionen Euro! In letzter Zeit wurde von den Kinobetreibern das System CinemaConnect favorisiert. Dieses basiert auf einer App, es muß aber auch in jedem Kinosaal eine ca. 5.000 Euro teure Hardware installiert werden. Ich habe sicherheitshalber nur 4.500 Euro veranschlagt und komme bei 4700 Leinwänden auf etwas über 21 Millionen Euro. Dieser Betrag käme je zur Hälfte auf die Kinobetreiber und die FFA und etwaige andere Förderer zu. Die FFA bevorzugt den Weg über die technische Ausstattung aller Kinos. Ob das klappt und wie lange sich dieser Prozeß hinzieht, bleibt abzuwarten. Den viel kürzeren und dabei auch viel preiswerteren Weg über die seit mehr als drei Jahren funktionierende App Greta und Starks zieht die Filmförderungsanstalt leider nicht in Betracht. Viel kürzer ist der Weg, weil die App Greta und Starks keine technische Ausstattung benötigt. Sie funktioniert überall dort, wo eine Leinwand ist, und die sind ja nun schon mal da! Man nimmt die Audiodeskription/ Untertitel für den ausgesuchten Film auf seinem Smartphone wie den obligatorischen Popcornbecher einfach mit ins Kino seiner Wahl. Für jährlich 300.000 Euro könnten mit dieser Lösung ca. 270 barrierefreie Filme für die Zielgruppen überall erlebbar gemacht werden. 21 Millionen Euro (Ausstattung für die Kinos) geteilt durch 300.000 Euro (jährlicher Bedarf für die App Greta und Starks) ergibt 70 Jahre barrierefreie Filme in allen Kinos. Diese vereinfachte Rechnung soll aufzeigen, daß die Lösung über die App Greta und Starks unbedingt in die Überlegungen einfließen muß, wie es mit dem barrierefreien Film weitergeht! Bei der App Greta und Starks werden die Verleiher zur Kasse gebeten. Pro Film, den sie so verfügbar machen, fällt eine Gebühr zwischen 1.000 und 1.500 Euro an. Wenn jeder Kinobetreiber bei der Ausstattung seiner Leinwände bis zu 50 % gefördert wird, sollte das auch für jeden Verleiher gelten, unabhängig davon, ob er bereits Verleihförderung bekommt. Abschließend noch ein paar Argumente, die für das eine oder andere System sprechen: CinemaConnect kann auch noch Hörunterstützung und Mehrsprachigkeit! Aber: Die Technik ist teuer und erfordert Wartung. Und jede Hardware gilt bekanntlich schnell als veraltet. Die Investition der erforderlichen 21 Millionen Euro in die reine Technik ändert nichts am Programmangebot: Weiterhin werden weniger als 50 % der Filme barrierefrei, also für jeden, zu erleben
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