Blog Blindgaengerin

April 2017

Filmstill aus "Tiger Girl": Die beiden Tigergirls in schwarzen Uniformen mit der Aufschrift "Security" auf dem Rücken laufen über eine Wiese im Park. Die vordere trägt ihr blondes langes Haar zu einem Zopf, darüber ein Basecap. Im Hintergrund sitzen zwei Leute im Gras.

Tiger Girl

Laß die zwei jungen Frauen einfach drauflos spielen, ist die Devise des Herrn Lass. Mal schauen, wo die „Reise“ dann hingeht. Geographisch gesehen, beginnt und endet alles aber auch nur beinahe vor meiner Haustür. Die Streifzüge von Ella Rumpf als Tiger und Maria Dragus als Vanilla finden natürlich in dem angesagteren Teil Berlins statt, in dem das Leben tobt, und nicht im eher beschaulichen Spandau. Vielleicht war es deshalb aussichtslos, ein Kino halbwegs in meiner Nähe zu finden, in dem der Film „Tiger Girl“ gezeigt wird. Dem Ur-Spandauer wird nachgesagt, seinen Bezirk nur höchst ungern über eine der drei Brücken über die Havel zu verlassen und, wie er meint, „nach Berlin“ zu fahren. Ich als Zugezogene genieße das etwas ruhigere Leben im Grünen mit viel Wasser sehr. Genau so gerne stürze ich mich aber in das kulturell übersprudelnde Chaos jenseits der Havel. So beispielsweise für „Tiger Girl“ ins tiefste Kreuzberg zum Kottbusser Damm Nr. 22. Dort im ersten Stock ist das von den Betreibern mit viel Herzblut und Engagement geführte Kiezkino Moviemento. Nach dem Kino wieder auf der Straße, kamen plötzlich Tiger und Vanilla in geklauten Uniformen an mir vorbeipatrouilliert, um nach ihren unkonventionellen Vorstellungen für Recht und Ordnung zu sorgen. Nein, natürlich nicht! Aber so abwegig ist der Gedanke gar nicht. Häufig waren die belebten Straßen und Parks Berlins die Kulisse, genau so, wie sie nun einmal sind. In diesem sogenannten dokumentarischen Umfeld ließ der Regisseur Jakob Lass seine Hauptfiguren Tiger und Vanilla recht frei agieren. „Frei“ bedeutete hier ohne vorgegebene Dialoge und mit nur sehr allgemein gehaltenen Ansagen über den Verlauf seiner Filmgeschichte, in der es um die Freundschaft zweier total verschiedener Frauen Anfang 20 geht. Absolut unvorhersehbar, unberechenbar, schnell, witzig, liebevoll und sanft, aber auch brutal geht es dabei zu, wie das Leben eben so pinkelt! Besonders überraschend ist das Ende, da hat sich wohl bei allen im Kinosaal ein fettes Grinsen breitgemacht! Und ohne die Audiodeskription über die App Greta hätte ich bestimmt nicht mitgrinsen können. Zum Schluß geht es noch einmal richtig rund und dabei fallen nur wenige klärende Worte. Eine große Herausforderung muß die Beschreibung der Kampfszenen gewesen sein, wessen Bein oder Faust bei den teils akrobatisch und tänzerisch anmutenden Choreographien welchen Körperteil des Gegners oder der Gegnerin traf. Darüber war ich immer bestens im Bilde. Das gilt auch für Tigers und Vanillas grundverschiedenes Äußeres mit ihren ständig wechselnden Outfits. Genauso unverwechselbar wie das Erscheinungsbild der beiden waren ihre Stimmen, was mir sehr beim Sortieren der Akteure half. Hätte mir die Audiodeskription eine junge, kecke, weibliche Stimme ins Ohr geflüstert, wäre der Hörgenuß einfach perfekt gewesen. Die mir wohlvertraute Stimme des Sprechers mit einem wenn auch nur sehr dezent bayerischen Einschlag, die ich prinzipiell sehr gerne höre, wollte sich für meine Ohren nicht so recht in das Ganze einfügen. Aber das niedrig angesetzte Budget für den Film und damit auch für die Audiodeskription ließ wohl keinen Spielraum, externe Sprecher zu engagieren. Jakob Lass und sein Team konnten sich übrigens über die Unterstützung der fast ein bißchen verschwörerisch klingenden Initiativen „Alpenrot“ und „Leuchtstoff“ freuen. Deutschlands größter Filmproduzent Constantin Film und der RBB mit dem Medienboard Berlin-Brandenburg wollen damit genau solche jungen, engagierten und experimentierfreudigen Filmemacher fördern. Aus dieser Ecke sind bestimmt noch spannende Projekte zu erwarten! Zum Schluß lasse auch ich, und zwar die Filmlöwin zu Wort kommen! Sie hat sich schon während der Berlinale an „Tiger Girl“ herangepirscht, wo der Film in der Sektion Panorama Special seine Premiere feierte. Ob sie ihre scharfen Krallen ausgefahren und ihre Raubkatzen-Kollegin in Streifen gefetzt oder wohlwollend schnurrend mit Samtpfoten angepackt hat? Hier steht‘s geschrieben: http://filmloewin.de/berlinale-2017-tiger-girl/  

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Zwei DVDs: Links des Films "Welcome to Norway", rechts von "Willkommen bei den Hartmanns". In der Mitte eine Pistole mit Filterzigarette im Lauf auf einem leeren Aschenbecher.

Willkommen und Welcome im Handel!

Der Mörder ist immer der Raucher… …und der schlägt zwar nicht immer erbarmungslos zu, führt aber selten was Gutes im Schilde! Greift in einem Film, ob Kino oder TV, nur eine einzige Person zum Glimmstengel, dann spielt diese fast nie die Rolle eines Sympathieträgers. So verhält es sich auch in den beiden Kinofilmen „Willkommen bei den Hartmanns“ und „Welcome to Norway“ Beide kann man sich jetzt per DVD auch auf dem heimatlichen Sofa zu Gemüte führen. In „Welcome to Norway“ übernimmt der aus Libyen geflüchtete mürrische Zoran den rauchenden Part. Er sabotiert die Stromversorgung der mehr schlecht als recht ausgestatteten Flüchtlingsunterkunft in der norwegischen Provinz. Schlagartig sitzen der verhaßte Betreiber, den er als „Scheiß-Wikinger“ beschimpft, dessen Familie und alle Bewohner der Unterkunft im Dunkeln und frieren. Nach einem einschneidenden Ereignis aber überdenkt er seine destruktive Haltung. Als gelernter Ingenieur behebt er den Schaden und sorgt für eine stabile Stromversorgung. Bei den Hartmanns, die gerade den sympathischen Diallo aus Nigeria in ihrem wunderschönen Haus herzlich willkommen heißen, ist es die Nachbarin, die raucht. Mit einer Zigarette in der Hand steht sie auf ihrem Balkon und keift ausländerfeindliche Parolen herüber. Zum Schluß schließt sie sich sogar einer Pegida-ähnlichen Versammlung vor der Villa der Hartmanns an. Aber sowohl in der norwegischen Provinz als auch bei den Hartmanns gibt es auch unter Nichtrauchern reichlich Idioten und weitaus schlimmere Übeltäter. Einen Eindruck, wie unterschiedlich die Regisseure Rune Denstad Langlo und Simon Verhoeven an dasselbe hochaktuelle Thema herangingen, vermitteln schon die Trailer. Der Link nach Norwegen: Trailer “Welcome to Norway” Der Link zu den Hartmanns: Trailer “Willkommen bei den Hartmanns” Aber gemeinsam haben die zwei Filme sehr gut gemachte Audiodeskriptionen! Und diese sind nicht im Nichts verraucht, wie es sonst leider noch oft der Fall ist, sondern waren im Kino über die App Greta und Starks erlebbar! Ohne hätte mir z. B. das wichtige Detail, wer raucht, im geruchsneutralen Kinosaal nicht auffallen können. Die Texte der Audiodeskriptionen stammen übrigens aus der Feder derselben Autorin, Inga Henkel. Für „Willkommen bei den Hartmanns“ war sie im Auftrag der Eurotape Media Services GmbH und bei „Welcome to Norway“ für die Kinoblindgänger gGmbH aktiv. Wer den ein oder anderen oder gar beide Filme im letzten Herbst im Kino verpaßt hat, kann das jetzt nachholen und dabei auch rauchen! Und auf beiden DVDs wurde auch die Audiodeskription plaziert. Zusammengefaßt ist mit der deutschen Filmproduktion „Willkommen bei den Hartmanns“ und dem norwegischen Film „Welcome to Norway“ barrierefreie Vielfalt gelungen, weiter so!

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