Blog Blindgaengerin

Mai 2019

Die Blindgängerin sitzt in einem Schulraum an einem Tisch. Vor ihr eine Kreidetafel. Die Blindgängerin trägt eine Lupenbrille, vor ihr auf dem Tisch ein Schulbuch, ein Fernglas und zwei Leselupen.

Die Kinder der Utopie

Mir ging das Herz auf! Und das wird allen so gehen, die die einmalige Chance nutzen, nur am Mittwoch, dem 15. Mai 2019 Luca, Marvin, Dennis, Johanna, Christian und Natalie im Kino zuzuschauen und zuzuhören! Sie sind im Film von Hubertus Siegert „Die Kinder der Utopie“! Die Audiodeskription und erweiterten Untertitel sind bei der Greta und Starks App bereitgestellt. Der Film läuft in über 160 Städten. Eine Kinoübersicht und weitere Informationen gibt’s auf der Website www.diekinderderutopie.de Die heute Mitte 20-jährigen besuchten die Berliner Fläming-Grundschule und wurden vor 12 Jahren mit anderen Kindern in der Klasse 5d gemeinsam unterrichtet. Und schon damals war der Regisseur Hubertus Siegert mit der Kamera dabei. Das Ergebnis seiner von den Kindern scheinbar unbemerkten Aufnahmen ist der Film „Klassenleben“. Und worin besteht jetzt die Utopie? Drei haben eine und drei keine: eine Behinderung. Was aber kein Hindernis für gemeinsames Lernen war. Ganz im Gegenteil, eine Bereicherung, wie sie alle im nachhinein sagen! „Die Kinder der Utopie“ mit vielen Ausschnitten von „Klassenleben“ ist eine wunderbare Diskussionsgrundlage für den bundesweiten Aktionsabend am 15. Mai: Inklusion unter der Lupe! Und apropos Lupe: Ich nahm Schulbücher und Klausur- und Gesetzestexte unter meine Lupen und Lupensysteme. So arbeitete ich mich während der Schulzeit und des Studiums buchstäblich durch die Texte in Schwarzschrift. An die Tafel und die gräßlich stinkenden riesigen Landkarten schaute ich durch ein kleines Fernrohr. Inzwischen sind die Hilfsmittel von damals zum Einstauben in einer Schublade gelagert und vergessen. War ich eigentlich auch ein Kind der Utopie? Irgendwie ja und nein! Während der ersten vier Schuljahre an einer Sonderschule für Sehbehinderte in Mannheim auf keinen Fall. Wir waren im Gebäude einer Regelgrundschule untergebracht und in unserem Klassenzimmer flogen die Fetzen. Unterricht fand so gut wie keiner statt. Der einzige Lehrer für ca. 15 Kinder mit den verschiedensten Voraussetzungen war mit uns, einem extrem chaotischen Haufen, völlig überfordert. Im dritten und vierten Schuljahr ging es wesentlich geordneter zu und ich habe sogar etwas gelernt. Allerdings nicht genug und ohne die allnachmittäglichen Paukereien mit meiner Mutter hätte ich die Aufnahmeprüfungen für ein Regelgymnasium niemals bestanden. Und da wollte ich unbedingt hin. Vor allem aber: Weg von der Sonderschule!!! Da sind se wieder, die Sehbehinderten! So hänselten uns die anderen Kinder auf dem Schulhof und wir wurden mißtrauisch und abweisend beäugt. Das hat mich verletzt, genervt und hing mir sehr lange nach. Auf dem Gymnasium fühlte ich mich von Anfang an pudelwohl! Ich war immer mittendrin und nichts Besonderes. Mit meinen Hilfsmitteln und erst in den letzten beiden Jahren auch etwas mehr Zeit bei den Klausuren schaffte ich ohne eine Extrarunde das Abitur, mit mittlerem Ergebnis. Das war 1978, eingeschult wurde ich im April 1966. Jetzt aber schnell zurück in die Gegenwart und abschließend ein paar Worte zur Audiodeskription. Diese empfand ich schon wegen der schönen und ruhigen Stimme der Sprecherin als sehr sensibel und behutsam. Dem Team der Hörfilmbeschreibung gelang die Balance, sich bei den emotionalen Momenten und den vielen berührenden Gefühlsausbrüchen der „Kinder der Utopie“ zurückzunehmen, ohne daß ich in der Beschreibung irgendwelche Details vermißte. Das Skript ist von Doris Würfel und Klaus Kaminski, die Redaktion machte Noura Gzara und die Sprecherin ist Silke Matthias. Die Audiodeskription hatte einen großen Anteil daran, daß mir das Herz aufgehen konnte!

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Die Blindgängerin und ihre Begleitung Lena stehen vor langen weißen Schildern mit den Logos der Sponsoren der Verleihung des Deutschen Filmpreises. Im Hintergrund eine grüne Hecke. Lena hat langes braunes Haar und trägt ein türkisfarbenes Kleid mit einer weißen Jacke. Die Blindgängerin trägt ihr mittelblondes Haar schulterlang. Einen dunkelblauen Rock und ein gleichfarbiges Top kombiniert sie mit einer kupfergoldenen Jacke mit aufgenähten blauen Glasperlen.

Die Lola 2019

Foto: Claudia Schaffer, DBSV In meinem neuen Outfit traf ich sie wie 1.900 andere auch am 3. Mai im Palais am Berliner Funkturm, wo man Champagner trinkt, der aber nicht nach Cherry-Cola, C-o-l-a, Cola schmeckte, sondern einfach köstlich. Nur der Vernunft wegen beließ ich es für den Anfang bei einem Glas! Zu mir kam sie nicht, die Lola, aber 20 Glückliche durften die begehrte Trophäe beim 69. Deutschen Filmpreis in den Händen halten, eben eine L-o-l-a Lola Lo-lo-lo-lo Lola! Nein, ich bin nicht betrunken. Aber genau so hört es sich an, wenn der Sänger von The Kinks über seine aufregende Begegnung mit „Lola“ in einem Club down in Soho singt, wo der Champagner nach Cherry-Cola schmeckt! Ein bißchen berauscht von dem glamourösen Abend bei der Gala bin ich allerdings immer noch. Und ja, ich durfte zum ersten Mal LIVE dabei sein und dafür ein herzliches Dankeschön an das Team der Deutschen Filmakademie! Wir saßen im Block B in der ersten Reihe direkt bei dem wunderbaren Filmorchester Babelsberg, Lena und ich. Irgendwie mußten alle an uns vorbei, wie auch Ulrich Matthes, der neue Präsident der Filmakademie, mit der Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters. Grundsätzlich gehe ich sogar gerne ohne Begleitung zu Veranstaltungen und an helfenden Händen fehlte es mir dabei nie. So kam ich in den Genuß von vielen interessanten Begegnungen wie mit Ruth Toma, der Drehbuchautorin von z.B. „Der Junge muß an die frische Luft“, Kit Hopkins, Drehbuchautorin von z.B. „Ballon“ und Monika Bauert, Kostümbild bei z.B. „Das Boot“. Bei der Verleihung der Lolas hätte ich mir aber die Karten gelegt und war heilfroh, daß ich Lena an meiner Seite hatte. Wir sind ein super gut eingespieltes Team. Eine Menschenansammlung kann für uns nicht zu dicht, eine Treppe zu steil oder der Andrang am Buffett zu groß sein, wir schaffen das immer ganz geschmeidig! Und wurden dabei interessiert beäugt, sagt Lena. Ohne Lena wären auch Frau Grütters und Herr Matthes von mir unbemerkt direkt vor meiner Nase vorbeigegangen. Außerdem beschrieb sie mir die vielen Abendroben und brachte Ordnung in das oft sehr turbulente Treiben auf der Bühne. Dieses Jahr führte eine Doppelspitze, Désirée Nosbusch und Tedros Teclebrhan, durch die Preisverleihung. Beide Stimmen waren mir nicht so vertraut und da verlor ich doch das ein oder andere Mal den Überblick und brauchte Lenas Zugeflüster. Die Auszeichnung in 18 Kategorien mit 20 Lolas dauerte vier Stunden und ja, das ist eine lange Zeit. Aber es gebietet der Respekt vor allen Mitwirkenden an dem Kunstwerk Film, daß ihre Arbeit gleichberechtigt bei der Preisverleihung anerkannt und gekürt wird. Und nicht nur die „Barrierefreiheits-Lolas“ stehen noch in den Startlöchern! Mir wurde die Zeit während der Gala kein bißchen zu lang! Damit das auch allen, die diesen Beitrag lesen, so geht, fasse ich mich jetzt kurz. Meine persönlichen Lolas in der Kategorie „Beste Laudatio“ bekommen: Der 11-jährige Julius Weckauf spielte herzergreifend den jungen Hape in „Der Junge muß an die frische Luft“ und brachte mit seiner Laudatio für „Bestes Maskenbild“ mehr als frische Luft in den Saal! Christoph Maria Herbst könnte wahrscheinlich aus einem Telefonbuch vorlesen und ich würde an seinen Lippen hängen. Er hielt die Laudatio für den Empfänger des Bernd-Eichinger-Preises, den Produzenten Christian Becker. Wer mehr gerührt war, ist kaum zu sagen: Margarethe von Trotta, die den Ehrenpreis erhielt, oder ihre Laudatorin Katja Riemann. Maria Schrader brachte energisch auf den Punkt, wie wichtig die Arbeit der Drehbuchautorinnen und -autoren ist, ohne gutes Drehbuch kein guter Film! Bei der Vorstellung der Nominierten wurde zwischen den Dialogen aus den jeweiligen Skripten vorgelesen. Das war für mich super, eben wie ein Hörschnipsel mit Audiodeskription! Ein sehr trauriger und berührender Moment war das Gedenken an die seit der letzten Preisverleihung verstorbenen Mitglieder der Filmakademie. Begleitet von Alexander Scheer am Flügel wurden erschreckend viele Namen genannt. Und wie bekomme ich jetzt einen würdigen Bogen zu meinem Schlußwort hin? Weil das Leben eben weitergeht, am besten mit dem Neuen! Ulrich Matthes trat schon im Februar die Nachfolge von Iris Berben an und ist nun der Präsident der Deutschen Filmakademie. Sehr charmant und sympathisch, wie er Iris Berbens Arbeit noch einmal würdigte und sie musikalisch verabschiedete! Ich verabschiede mich jetzt auch und bin hoffentlich zur Lola 2020 im nächsten Jahr wieder live dabei!

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