Ich war noch niemals im Knast! Aber gerade bestand die Möglichkeit beim 62. Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm! Wie vor zwei Jahren schrieb sich das Festival die wunderbar inklusive, schnörkellose Devise ganz groß auf die Fahne „Wir wollen, daß möglichst viele Menschen DOK Leipzig besuchen können.“ und setzte damit für andere Filmfestspiele nach wie vor wegweisende Maßstäbe! In diesem Jahr enthielt das barrierefrei geschnürte Paket 40 Filme mit deutschen und deskriptiven Untertiteln. Diese wurden bei den Vorstellungen für alle lesbar auf die Leinwand projiziert.Für 17 Filme standen teils eigens für das Festival produzierte Hörfilmfassungen bei der Greta App zum Download bereit. Davon landeten zehn in meinem persönlichen Päckchen, beziehungsweise auf meinem Smartphone. Ein Ohrenschmaus, aber auch ein ganz schön sportliches Programm für knapp drei Tage, zu dem mich das Festival-Team eingeladen hatte.Dafür ein ganz großes Dankeschön! Mit meiner Presseakkreditierung konnte ich mich theoretisch so frei und uneingeschränkt wie ein Fisch im Wasser durch alle Filmvorstellungen, Veranstaltungen und auch Partys bewegen. Und praktisch funktionierte das deshalb ganz prima, weil Franziska von morgens bis abends an meiner Seite war. Organisiert hat mir diese liebe Begleitung Susanne Jahn, zuständig für die Inklusion beim DOK. Nur aus dem Knast mußte ich, beziehungsweise mein Handy, wegen Sicherheitsbedenken draußen bleiben.Das hätte ich dort aber unbedingt gebraucht, um mir „Robolove“ und vorher den Kurzfilm „Warum Schnecken keine Beine haben“ mit Audiodeskription über die Greta App beim DOK im Knast in der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen anschauen zu können.Seit einigen Jahren bewertet eine Gefangenen-Jury ausgewählte Filme und vergibt dann den sogenannten „Gedanken-Aufschluß-Preis“. Und der ging in diesem Jahr an „Robolove“ von Maria Arlamovsky.Ich wäre schon sehr gerne dabei gewesen, wenn der Knast zum Kinosaal wird, und mit den jungen Leuten nach dem gemeinsamen Schauen der Filme ins Gespräch gekommen.Und warum haben nun Schnecken keine Beine? Nach wie vor keine Ahnung! Das großartige an Dokumentarfilmen ist, daß Fragen beantwortet werden, auf die man wie bei den Schnecken erst einmal kommen muß. Hier noch ein paar solcher Fragen und Antworten: Wie ergeht es Frauen in einem abgelegenen armenischen Bergdorf, wo die Männer neun Monate im Jahr am Stück im weit entfernten Russland zum Geldverdienen sind?Nach Tamara Stepanyans berührendem und sensiblem Film „Village of Women“ mit einer gelungenen Audiodeskription kann ich mir das ganz gut vorstellen.Und ganz wichtig, die in Armenisch geführten Gespräche und Interviews bekam ich wie die Audiodeskription ins Deutsche als Voice Over über die Greta App in mein Ohr.So konnte ich mir ein Bild von den charismatischen Frauen, den Kindern, gelegentlich auch von einem Mann und der wunderschönen, rauen Landschaft machen. Die Hörfilmbeschreibung harmonierte sehr schön mit dem Rhythmus des Lebens im Dorf, wo die Uhren sehr langsam ticken! Nächste Frage: Was sind „Space Dogs“? Laika, eine Moskauer Straßenhündin zum Beispiel!Sie wurde 1957 als erstes Lebewesen gezielt ins Weltall katapultiert und verstarb gleich nach dem Start der Kapsel. Nach einer Legende, die sich bis heute hält, soll sie als Geist auf die Erde zurückgekehrt sein und seitdem durch die Straßen Moskaus ziehen.So auch Schwarzschnauze und Hinkebein, die mal gemeinsam als Team, mal als Rivalen oder solo durch die russische Metropole stromern. Was sie dabei alles erleben, halten Elsa Kremser und Levin Peter mit der Kamera fest. Zwischendurch gibt es Archivaufnahmen aus der Sowjetzeit von Laborversuchen, wie Hunde auf Weltraumflüge vorbereitet wurden.Das war schon thematisch nicht unbedingt mein Film.Und dann ließ auch noch die Audiodeskription sehr zu wünschen übrig!Menschliche Dialoge waren die Ausnahme. Meistens hörte ich von den Hunden verursachte Geräusche oder die typische Geräuschkulisse einer Großstadt. Es wäre also viel Zeit für die Beschreibung der Hunde, ihrer Mimik und Gestik und der Umgebung gewesen. Das geschah aber extrem spärlich mit minutenlangem Schweigen zwischendurch. Viel zu oft bemerkte ich Gefühlsregungen im Publikum, die ich mir nicht erklären konnte, ein ganz schlechtes Zeichen!Und dann wurden Geräusche beschrieben, auf die ich gefühlt Minuten warten mußte, das ist kein gutes Timing! Diese Audiodeskription war ein Ausrutscher, die Qualität aller anderen war gut bis sehr gut, möchte ich an dieser Stelle betonen! Frage Nummer 3: Wie ticken „Russlands Millenniumskinder“? Ganz verschieden und ganz anders, als ich vermutet hätte! Die sieben inzwischen volljährigen jungen Leute, mit denen Irene Langemann sprach, haben eins gemeinsam, sie sind alle am 31.12.1999 an verschiedenen Orten in Russland geboren.Und genauso lange ist Putin an der Macht. Das hat ihnen weniger geschadet, als man meinen könnte. Es war mir eine Freude, die sieben Persönlichkeiten näher kennengelernt zu haben!Die deutschen Untertitel, die für das sehende Publikum im Kinosaal auf die Leinwand projiziert waren, bekam ich von Sprecherinnen und Sprechern als Voice Over über die Greta App in mein Ohr. Das war eine Menge, weil die jungen Leute sehr viel zu erzählen hatten. Ich konnte dem aber sehr gut folgen. Zunächst hörte ich immer ganz kurz die Stimmen der Millenniumskinder und dann das deutsche Voice Over.Das war hervorragend getimed und gemischt! Vierte Frage: Was machen Fußballspieler nach ihrer Profikarriere? Wie verschieden die Wege sein können, zeigen Christoph Hübner und Gabriele Voss sehr kurzweilig in „Nachspiel“! Zu Wort kommen die drei einstigen Hoffnungsträger der Profimannschaft Borussia Dortmund Florian Kringe, Heiko Hesse und Mohammed Abdulai.Ich habe den drei jungen Männern sehr gerne zugehört und war überrascht, als der Film nach der 8. Nachspielfilmminute plötzlich zu Ende war. Die Audiodeskription war sehr gut gemacht! Das fand auch einer der drei Studenten der Uni Leipzig, die mich in den Film begleitet hatten, und der die Greta App während der Vorstellung ausprobierte.Sie drehten während des DOK einen Beitrag für ihr Seminar „Magazinproduktion“ zum Thema Barrierefreiheit und Kino und ich war eine ihrer Protagonistinnen. Ich bin sehr auf das Ergebnis gespannt!Und dann hieß es für mich nach einem Selfie mit den drei sympathischen jungen Leuten Abpfiff! Ich freue mich schon aufs Wiederkommen im nächsten Jahr zum DOK nach Leipzig, ob mit oder ohne Knast! Nachtrag: Hier der Vollständigkeit halber noch die sechs aus Zeitgründen leider unkommentierten Filmtitel von meiner Liste! „In the Name of Scheherazade oder der erste Biergarten in Teheran“ von Narges Kalhor gewann total verdient den Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts! „Waldstück“ von Hannes Schilling „It Takes