Was ist eigentlich Monogamie, außer unrealistisch?
Der Begriff Monogamie kommt aus dem Altgriechischen, monos heißt „alleine, einzig“ und gamos „Ehe“. Er bezeichnet eine lebenslange exklusive Fortpflanzungsgemeinschaft zwischen zwei Individuen einer Art, wie bei den Höckerschwänen und manchmal beim Menschen.
Wenn Monogamie unrealistisch sein soll, ist dann Polygamie realistisch?
Die Übersetzung für poly ist „viel“ und die für gamos wie gehabt „Ehe“.
Polygamie bedeutet Vielehe und die Duldung von gleichzeitigen eheähnlichen Beziehungen.
Eine der Varianten ist die Polygynie, auf Deutsch die Vielweiberei.
Die sich seit knapp zwei Wochen durch die Kinos datende Queen Amy hat sich mit Haut und Haar der Polyandrie, der Vielmännerei, verschrieben.
Dieses Wort gefällt mir und wird in sehr schnellen und witzigen 130 Filmminuten mit viel männlicher Präsenz zum Leben erweckt.
Der Grund für Amys Vielmännerei könnte 23 Jahre zurückliegen, als der Vater ihr und der jüngeren Schwester Kim den Scheidungsgrund der Eltern so unkonventionell wie amüsant zu erklären versuchte.
Mit der Puppe der jüngeren Kim in der Hand stellt er die Frage, ob sich die beiden vorstellen könnten, lebenslänglich immer nur mit dieser einen Puppe spielen zu müssen. Vielleicht möchte diese Puppe phasenweise auch gar nicht mehr so unbedingt angefaßt werden. Und was, wenn sich viel attraktivere Puppen dazugesellen? Er verspinnt sich in einem Netz von plötzlich auftauchenden und wieder verschwindenden Puppen, verpuppt sich, bis er sich wieder entpuppt und zwar zu einem Puppenspieler, er will ja nur spielen.
Zu guter Letzt gibt er die Parole aus „Monogamie ist unrealistisch“, die er die ungefähr fünf- und siebenjährigen Mädchen gleich zweimal hintereinander im Chor nachplappern läßt.
Was den Mädchen damals wie böhmische Dörfer vorgekommen sein muß, haben die inzwischen jungen Frauen natürlich längst verstanden.
Amy tritt ganz anders als ihre jüngere Schwester Kim begeistert in die väterlichen Fußstapfen und traktiert das männliche Geschlecht.
Die in den 70ern besungene Dancing Queen hat sich ihren Titel ertanzt. Die vor drei Jahren für ein Fernsehformat irgendeines Privatsenders erfundene Shopping Queen wird für ihre Einkaufsqualitäten zur Königin gekürt. Die Dating Queen darf wegen ihrer zahllosen Rendezvous ihr Haupt mit einer Krone schmücken.
Ich tauge weder zur Dancing, Shopping noch Dating Queen, aber im Verschusseln bin ich umso besser.
Trotz Ankündigung habe ich es nämlich verschusselt, die App von Greta zu updaten mit der Folge, daß anstatt der Hörfilmbeschreibung in meinem rechten Ohr gähnende Stille herrschte.
Beim ersten One-Night-Stand übernimmt Amy personifiziert die Bildbeschreibung.
Amy heißt im wirklichen Leben Amy Schumer und wurde als amerikanische Stand-Up-Comedienne mit ihrer Comedyserie „Inside Amy Schumer“ bekannt.
Sie schrieb das biographisch angehauchte Drehbuch für den Film und die besagte Szene stammt aus ihrem Fundus eigener Erfahrungen mit dem männlichen Geschlecht.
Sie ist völlig außer sich über die Dimension des Gemächts ihres Spielgefährten, da ist kein Ende in Sicht!
Zu sehen ist der Bursche nur von hinten, so daß wir Amys Beschreibung glauben müssen.
Anfangs dachte ich, daß bei dem geschlechtsübergreifenden Gequassel ohne Punkt und Komma kaum Platz für eine Hörfilmbeschreibung bleibt. Schließlich häuften sich die amüsierten Lacher im Kinosaal, bei denen ich nicht mithalten konnte, kein gutes Zeichen!
Also habe ich mich ein zweites Mal mit der Queen, diesmal begleitet von Greta, verabredet und plötzlich sah die Sache ganz anders aus.
Ich konnte mir ein Bild von Amys Outfit machen, wie sie durch New York stöckelt, sich dem Alkohol und Shitrauchen hingibt und ihre Dates verwaltet. Auch auf das ein oder andere sehr nett beschriebene Detail bei ihren nächtlichen Abenteuern hätte ich nicht verzichten wollen.
Auch beruflich hat sie es mit der Männerwelt zu tun. Sie schreibt erfolgreich Artikel für den Verlag eines Männermagazins, bei dem eine herrische Chefin die Aufträge je nach Sympathie unter den weiblichen und männlichen Schreiberlingen aufteilt. Ausgerechnet die verklemmte Nikki soll in Erfahrung bringen, wie sich der Verzehr von Knoblauch auf den Geschmack von Sperma auswirkt. Amy hat mehr Glück, sie darf den erfolgreichen Sportchirurgen Aaron (Billy Hader) interviewen.
Zwischendurch schießt sie noch das Muskelpaket Oliver ab, der sich zu ihrem Entsetzen nach einer Frau fürs Leben mit einem Haus auf dem Land, gefüllt mit Kindern, sehnt.
Beim Interview kommt es natürlich, wie es kommen muß, sie bestimmt zwar das Tempo, bricht allerdings gleich in der ersten Nacht mit ihrem Gelübde, nämlich niemals für die ganze Nacht zu bleiben. Die Liebe nimmt ihren Lauf und alle Versuche, sich den Sportchirurgen schlecht zu reden, scheitern kläglich.
Ein Wermutstropfen in Amys Leben ist ihr an MS erkrankter Vater, den sie mit ihrer Schwester in einem Pflegeheim unterbringen muß.
Jeder weiß, wie traurig Besuche in solchen Einrichtungen sind.
Und wieder kommt es, wie es kommen muß!
Die junge Liebe zerbricht. Nach einer kurzen Trotzphase, in der sie ein unglaublich komisches sexuelles Intermezzo mit dem 16-jährigen Praktikanten des Verlages hat, trifft Amy knallhart die Erkenntnis, daß Monogamie vielleicht doch gar nicht so unrealistisch ist.
Sehr schön hörfilmbeschrieben ist das große Finale. Amy bricht sich einen Zacken aus ihrer Krone und versucht, zwischen den ihr eigentlich so verhaßten Cheerleader-Mädels mit einer Art Versöhnungsveitstanz alles wieder ins Lot zu bringen.
Vielleicht klappt‘s ja dann auch mit dem Sportchirurgen!
Mich juckt‘s in den Fingern, unzählige Szenen zu beschreiben, die ich erst mit dem Mann in meinem Ohr genießen konnte.
Zusammenfassend kann ich jetzt mit Gewißheit sagen, daß Hörfilmbeschreibungen sogar bei vor Dialogen nur so strotzenden Filmen wie diesem für mich alternativlos sind!