Der augenblickliche Zustand der Atmosphäre vor dem Fenster meines Arbeitszimmerchens, also das Wetter, ist nach meinem subjektiven Empfinden einfach nur ein Sauwetter. Objektiv ausgedrückt, stürmt es, und bei kühlen acht Grad prasseln dicke Regentropfen gegen die Fensterscheibe.
Wie schön, daß ich mir mein eigenes Wetter machen kann. In meinem geschlossenen Raum ist es trocken und windstill und mit 20 Grad Zimmertemperatur angenehm warm.
Auch die Akteure des Films ziehen „Das Wetter in geschlossenen Räumen“ der wahrscheinlich brütenden Hitze in den Straßen irgendeiner Stadt in einem Krisengebiet des Nahen Ostens vor.
Aber da gibt es nicht nur Wetter.
Von draußen sind das Rasseln der Ketten herumfahrender Panzer, Schußsalven aus Maschinengewehren und Explosionen aller Art zu hören. Im Film scheint das jedoch bis auf eine Ausnahme niemanden besonders zu beunruhigen.
Mich haben die bedrohlichen Geräusche nicht nur einmal in meinem Kinosessel zusammenzucken lassen.
Immer wieder verüben terroristische Gruppen in Krisengebieten ihre Bombenattentate auf Luxushotels, die bevorzugt von ausländischen Gästen bewohnt werden.
Die Suiten und Veranstaltungsräume in solch einem Luxushotel sind die geschlossenen Räume, in denen sich die Filmfiguren ihrem Geschäft mit der Entwicklungshilfe widmen. Geschlossene Räume mit Fünf-Sterne-Standard.
Eigentlich dachte ich, daß Entwicklungshelfer draußen und vor Ort unmittelbaren Kontakt zu den Hilfsbedürftigen haben und direkt Hand anlegen. Die für die Maßnahmen benötigten Finanzmittel würden durch öffentliche Spendenaufrufe und Sponsoring-Kampagnen in den Industrienationen und von den sogenannten Geberländern eingesammelt.
So wird es bestimmt auch meistens der Fall sein.
Aber der Film beleuchtet hier die andere Seite der Medaille, die mit der Entwicklungshelferin Dorothea Nagel ein Gesicht bekommt. Sie trägt Designerklamotten, auch einmal ein güldenes Gewand, reichlich Goldschmuck, und ist immer perfekt frisiert und manikürt. In dieser luxuriösen Arbeitskleidung organisiert sie ihre Hilfsprojekte.
Dorothea hat die grundsätzlich wirklich gute und lobenswerte Idee, mit Stipendien Flüchtlingsmädchen ein Studium in London zu ermöglichen. Allerdings scheint es einfacher, mit Gala-Dinners und Charity-Veranstaltungen die dazu nötigen Gelder einzusammeln, als geeignete Flüchtlingsmädchen zu finden.
Das klingt genauso absurd, wie es leider auch ist.
Erste Einblicke in diese hier natürlich überspitzt absurd dargestellte Welt bekam die Regisseurin Isabelle Stever vor neun Jahren bei einem Gespräch mit der Mitarbeiterin einer großen internationalen Hilfsorganisation.
Dieses Gespräch und das Ergebnis ihrer eigenen Recherchen in Beirut und Amman fließen geballt und wie gesagt überspitzt in die Person der Dorothea ein.
Allerdings liegt der Regisseurin nichts ferner, als die Leistung der Entwicklungshelfer pauschal zu verunglimpfen oder zu schmälern, sondern es geht ihr um die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema.
Entwicklungshelfer befinden sich auch in den Luxushotels in ständiger Lebensgefahr.
Und weil der Mensch ein Mensch ist, sucht er für diese ständige Angst ein Ventil. Das kann auch der Kauf teurer Klamotten oder Sex and Drugs and Alcohol sein.
An Drogen versucht sich Dorothea nur einmal, die anderen Ventile sind ihre ständigen Begleiter.
Die Luft ist auch in den geschlossenen Räumen selten trocken und ein besonders abwechslungsreiches männliches Ventil heiß Alec, ist 24 Jahre jünger und bringt sie ganz schön aus der Fassung.
Bei Filmtiteln frage ich mich oft, was sich die Namensgeber dabei gedacht haben.
Hier hat vor allem der Titel meine Neugierde geweckt und ich wollte auf keinen Fall Maria Furtwänglers ersten Auftritt im Kino verpassen.
Als Dorothea darf sie sich, ganz anders als in ihren bisherigen Rollen, hemmungslos betrinken, darf lallen, rauchen, Drogen ausprobieren und sich mit einem sehr, sehr viel jüngeren Mann vergnügen.
Das alles tut sie mit dem frisch von der Schauspielschule gecasteten, sehr sympathischen Mehmet Sözer, der nach seiner Leistung in diesem Film garantiert häufiger zu sehen sein wird.
Mit ein bißchen Glück konnte ich dank des netten Herrn im Kino „Filmkunst 66“ eine Karte für die Premierenvorstellung ergattern.
Nur in den Genuß der vorhandenen Hörfilmbeschreibung kam ich bedauerlicherweise nicht, sie wurde – wie so oft – zwar produziert, aber nicht zur Verfügung gestellt.
Was auf der Leinwand passierte, wenn nicht englisch, sehr viel französisch und manchmal auch deutsch gesprochen wurde, tja ?!!!
Aber die Geräusche waren wieder einmal hilfreich.
Daß Dorothea wie ein Weihnachtsbaum mit Schmuck behangen sein mußte, verriet mir das Geklimper bei jeder ihrer Bewegungen. Ob Silber oder Gold, kann auch mein feines Gehör nicht ausmachen.
Aber einige Details, wie zum Beispiel ob Silber- oder Goldschmuck, erfuhr ich nach der Vorstellung, als sich Isabelle Stever mit den Darstellern Maria Furtwängler, Mehmet Sözer, Anne von Keller und dem Kameramann geschlossen den Fragen des Publikums stellten.
Mal schauen, ob ich beim Auftun von Spendengeldern für die Kinoblindgänger gemeinnützige GmbH genauso erfolgreich bin wie Dorothea für ihre Projekte.
Charity-Veranstaltungen und Gala-Dinners habe ich allerdings nicht im Sinn.
Ich werde ganz bescheiden gezielt hoffentlich die richtigen Menschen ansprechen!
Mit sehr bescheidenen Mitteln ist übrigens auch das Foto entstanden.
Gehüllt bin ich in eine Rettungsdecke mit Verfallsdatum aus einem Auto-Verbandskasten. Der Schmuck hat ungefähr den Wert zweier Kinokarten.
Der Film klingt mit einem gecoverten Hit der Talking Heads aus, ich glaube, es war „Wild Wild Life“. Was währenddessen auf der Leinwand passierte, weiß ich leider nicht.