Blog Blindgaengerin

Autorenname: Barbara

Auf dem Berliner Gendarmenmarkt vor dem Deutschen Dom. Zwei Frauen stehen Rücken an Rücken und lachen in die Kamera. Links Verena im dunklen Etuikleid, rechts die Blindgängerin im braunen Lederkostüm. Beide halten Sektgläser.

Die abhandene Welt

Gerade noch rechtzeitig zum regulären Kinostart ist „Die abhandene Welt“ glücklicherweise in der Liste der App von Greta und Starks vorhanden. Dieses Glück war dem Film „Als wir träumten“ leider nicht vergönnt. Die beiden Filme liefen wie auch „Dora oder die sexuellen Neurosen…“ bereits im Februar als ein Berlinale Special mit einer live eingesprochenen Audiodeskription. An dieser Stelle möchte ich diesen Sprechern einmal meine Hochachtung kundtun. Während der 120 Filmminuten immer auf den Punkt genau den Text der Hörfilmbeschreibung in die Dialogpausen zu platzieren, ohne selbst auch nur für den Bruchteil einer Sekunde pausieren zu können, ist eine Riesenleistung! Die vorhandene Welt spielt in der Stadt Düsseldorf, in der Sophie, ihr Vater Paul und dessen Bruder bislang jeder mehr oder weniger für sich ihre eigenen Wege gehen. Eines Tages entdeckt Paul im Internet das Foto einer US-amerikanischen Operndiva, die seiner vor einem Jahr verstorbenen Frau zum Verwechseln ähnlich sieht. Die in Italien aufgewachsene Opernsängerin Caterina Fabiani ist nur unerheblich älter als seine Tochter Sophie und lebt mit ihrer Familie in New York. Von der Idee besessen, daß die Ähnlichkeit kein Zufall sein kann, wittert Paul die Möglichkeit einer in der Vergangenheit liegenden, wie auch immer gearteten, aber abhanden gekommenen familiären Verbindung. Gesundheitlich angeschlagen, kann Paul der Sache nicht selbst auf den Grund gehen, und so geht er seiner Tochter Sophie so lange auf die Nerven, bis diese sich mit einem von ihm gesponserten Flugticket auf die Suche nach der möglicherweise „abhandenen Welt“ auf der anderen Seite des großen Teiches macht. Sophie ist anfangs wenig begeistert, sich ein Detektivmützchen aufzusetzen und wildfremden Menschen auf die Pelle zu rücken, doch wird die Reise nach New York ihr Leben völlig umkrempeln. Kurz vor ihrer Abreise bekommt sie von ihrem Freund den Laufpaß und ihre Auftritte als Jazzsängerin sind auch nicht gerade von Erfolg gekrönt. Um an die wenig kooperative Operndiva Caterina (Barbara Sukowa) heranzukommen, wendet sie sich hilfesuchend an deren Manager, der die Situation schamlos ausnutzt und Sophie ein „unmoralisches Angebot“ macht. Aber nur so kommt sie nach und nach der abhandenen Welt auf die Spur, verliebt sich in ihren Zwangsverbündeten und wird auch noch als Jazzsängerin in der New Yorker Clubszene gefeiert. Alles flutscht, fast wie im Film. Katja Riemann singt als Sophie übrigens personifiziert und macht das echt gut! Welche Welt ab wann, wie und warum abhanden ist, klärt sich nur so nach und nach dank der handgeschriebenen Briefe, die die älteren Herrschaften, also Paul (Matthias Habich), sein Bruder und Caterinas vermeintliche Mutter (Karin Dor) in kleinen Holzkästchen aufbewahren. Diese Holzkästchen hatten etwas Rührendes. Von einigen Herrschaften im Kinosaal um mich herum konnte ich Bemerkungen darüber aufschnappen, was der heutigen und den nachfolgenden digitalisierten Generationen einmal abhanden sein und bleiben wird: Vor allem Holzkästchen mit handgeschriebenen Briefen! Paul hatte auf jeden Fall den richtigen Riecher. Seine Frau brachte einige Jahre vor Sophies Geburt bereits ein Mädchen namens Caterina zur Welt, das sie aus einer Notlage heraus ihrer in Italien lebenden Freundin anvertraute. Zurück in Düsseldorf, muß sich Sophie jetzt auf die Suche nach dem leiblichen Vater ihrer Halbschwester machen. Das alles klingt komplizierter, als es ist, und am Schluß weiß jeder, wer zu wem gehört. Bis zur endgültigen Familienzusammenführung und den tragischen Erkenntnissen über abhandene und irrtümlich für vorhanden gehaltene Welten tragen diverse Szenen zur allgemeinen Erheiterung bei: Als zweites Standbein versucht sich Sophie als Rednerin auf Hochzeitsfeiern. Viele Brautpaare tauschen den kirchlichen Traualtar gegen eine nicht so durchstrukturierte Zeremonie ein, um sich das große lebenslängliche JA-Wort zu geben. Sophies Gespräche mit den jungen Leuten über deren Erwartungen an den schönsten Tag ihres Lebens, den Partner und die Liebe und die gemeinsame Zukunft sind schon wahnwitzig komisch. Bei einer längst überfälligen Aussprache zwischen Paul und seinem Bruder bleibt es nicht bei Verbalattacken. Die älteren Herren tänzeln wie wildgewordene Boxer umeinander herum und die daneben sitzende Sophie versucht lachend, die im Weg stehenden Kleinmöbel zu retten. Eine ähnliche Situation gab es vor Jahren in meiner Familie anläßlich einer Feier, nur daß wir Familienmitglieder erst einmal ziemlich bedröppelt dreingeschaut haben, bis wir die beiden Kampfhähne getrennt haben. Aber in der letzten Szene sitzen alle bei einem guten Essen mit reichlich Rotwein einträchtig zusammen, Ende gut, alles gut! Im Februar bei der Vorstellung mit der live eingesprochenen Hörfilmbeschreibung waren neben den Hauptdarstellern und der Regisseurin auch bestimmt 50 Kinoblindgänger inklusive meinereiner. Der Regisseurin, Margarethe von Trotta, ist übrigens im wirklichen Leben ein ähnliches Schicksal widerfahren wie Sophie in ihrem Film. Schön, daß jetzt auch Leute den Film mit Greta anschauen können, die damals keine Zeit hatten, kein Ticket ergattern konnten oder einfach nicht das Glück haben, in Berlin zu leben, halt ALLE!! Das Foto zu diesem Beitrag zeigt mich mit meiner Schwester Verena. Wir beide sind uns aber nie abhanden gekommen. Es trennt uns auch kein Ozean, sondern meist nur die Elbe.

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Die Blindgängerin beugt sich über ein Blumenbeet mit gelben Tulpen, in der rechten Hand ein kleines Gieskännchen. Sie hat die Haare zu einem Dutt gebunden und trägt lange goldene Ohrringe. Ihr wallendes Kleid ist kupferfarben und mit einem goldenen Gürtel gebunden. Sie trägt Gummistiefel. Neben ihr steht ein Korb mit Gartenwerkzeugen.

Die Gärtnerin von Versailles

Es war einmal ein sehr mächtiger König, genannt der Sonnenkönig, dem wurde sein Stadtschloß in Paris, der Louvre, zu klein und so beschloß er, sich vor den Toren Lutetias nach einem geeigneten Fleckchen Erde für ein neues Zuhause umzusehen. Er liebte weite Aussichten und große Wasserflächen und so fiel seine Wahl auf das Städtchen Versailles bei Paris, in dem seinem Vorgänger Ludwig XIII. bereits ein Jagdschloß im Stil des Barock errichtet wurde. Dort war genug Platz und Raum, um das vorhandene Schloß nebst Park nach seinen Vorstellungen umzubauen und zu erweitern, und 1661 ging’s los. Schon 21 Jahre später, im Mai 1682, bezog der französische Hof das fertiggestellte Château de Versailles, so wie man es heute noch besichtigen kann. Das für den gigantischen Umfang der damaligen Arbeiten rasante Bautempo läßt den einen oder anderen Politiker, Planer, Techniker von heute bestimmt vor Neid erblassen. Aber Ludwig mußte ja auch, wenn überhaupt, nur sich selbst Rechenschaft ablegen, frei nach dem Motto „L‘ Etat, c‘est moi“. Das bedeutet extrem verkürzte Dienstwege. Der bedeutende Landschafts- und Gartengestalter André Le Nôtre konzipierte den Stil des französischen Barockparks und begann Ende 1660 als oberster Gartenarchitekt von Ludwig XIV. mit der Durchführung des Großprojekts „Schloßpark von Versailles“. Heute nennen wir das Ausschreibungsverfahren, damals kamen jedenfalls die wichtigsten und möchtegernwichtigen Landschaftsgärtner Frankreichs mit ihren Plänen zu Le Nôtre, um ein kleines Stückchen vom riesigen Auftragskuchen Schloßpark zu ergattern. Vor dieser historischen Kulisse erzählt der Film „Die Gärtnerin von Versailles“, wie sich die Landschaftsgärtnerin Sabine de Barra, eine fiktive Filmfigur, unter die männliche Konkurrenz mischt. Von dieser abschätzend und mißbilligend beäugt, hat sie auch bei Le Nôtre (Matthias Schoenaerts) erst einmal schlechte Karten. Ihre Pläne entsprechen nicht dem Prinzip des großflächigen symmetrischen Barockparks, das der Natur die Regeln der Mathematik auferlegt. Le Nôtre schmettert ihre Pläne als das totale Chaos ab. Im englischsprachigen Raum heißt der Film übrigens „A little chaos“. Beim Verlassen des Ateliers verschiebt sie einen der in Reih und Glied wie mit dem Lineal ausgerichteten und angeordneten Pflanzenkübel. Dem wachsamen Auge des Meisters entgeht das natürlich nicht. Dieser sehr kleine Eingriff in die Ordnung seiner Töpfe scheint auch in seinem Kopf etwas zu bewegen und Sabine bekommt – Ende gut, alles gut – den ersehnten Zuschlag. Die wunderschöne Gärtnerin, sehr glaubwürdig gespielt von der ebenso wunderschönen Kate Winslet, legt nun Hand an, wühlt im Schlamm, watet durchs Wasser und scheut keine noch so kräftezehrenden körperlichen Anstrengungen. Entstehen soll ein Ballsaal unter freiem Himmel in der Form eines Amphitheaters, bei dem Le Nôtre und Sabine jeweils mit ihrem Stil für die Gestaltung je einer Hälfte zuständig sind. Das enge und erfolgversprechende Zusammenwirken der beiden geht schon bald über ein reines Arbeitsverhältnis hinaus und zieht sowohl den Neid der männlichen Kollegen als auch Eifersüchteleien in der Damenwelt nach sich. Es wird, wie am Hofe üblich, intrigiert und boykottiert. Zu kämpfen hat die verwitwete Sabine auch noch mit einem traurigen Ereignis aus ihrer Vergangenheit. Die Erinnerung daran trägt sie ständig mit sich herum. Als Sabine zu Hofe zitiert wird, begegnet sie dort beide Male Liselotte von der Pfalz. Diese wurde aus machtpolitischen Gründen mit dem Bruder des Sonnenkönigs, Philipp I., Herzog von Orléans, verheiratet. Wegen dessen allgemein bekannter Homosexualität war Liselotte von Beginn an am französischen Hofe isoliert. In unzähligen Briefen, wovon heute noch einige erhalten sind, beschrieb sie sehr kritisch das höfische Leben und daß sie sich in Versailles inmitten der gepuderten Damen- wie Herrenwelt nie wohlgefühlt habe. Außerdem mußte sie von Ferne miterleben, wie die Franzosen ihre Heimatstädte Mannheim und Heidelberg inklusive des Heidelberger Schlosses in Schutt und Asche legten. Da wäre ich als gebürtige Mannheimerin und in Heidelberg aufgewachsen auch sehr böse gewesen. Hätten sich die Wege Liselottes und der Landschaftsgärtnerin wirklich gekreuzt, so wären die bodenständigen und für damalige Verhältnisse naturbelassenen Damen bestimmt beste Freundinnen geworden. Aber zu Ludwigs Zeiten hätte es niemals eine weibliche Landschaftsgärtnerin gegeben! Um Liselotte möglichst glaubhaft spielen zu können, reiste Paula Paul eigens nach Heidelberg. Sie hat die im Schloß ausgestellten Portraits der Kurpfälzerin angeschaut und sich einen Überblick über deren Leben verschafft. Das hat sich auf jeden Fall gelohnt!!! „Wir trafen uns in einem Garten!“ hätte Sabine singen können. Genauer gesagt, handelt es sich um die Königliche Baumschule, die Sabine aufsucht, um sich unter der fachlichen Aufsicht des dortigen Maestros mit Pflanzen für ihr Projekt zu versorgen. Der Maestro hatte jedoch kurz vor dem Eintreffen Sabines auf das diskrete Handzeichen des Königs das Gelände verlassen. Diesem dient die Baumschule als sein Refugium, in dem er unerkannt seinen Gedanken nachhängen und sich der bestimmt juckenden Perücke entledigen kann. An diesem Tag trauert er seiner gerade verstorbenen Gemahlin, Maria Theresia von Spanien, nach. Sabine richtet ihre Worte und Fragen an den vermeintlichen Maestro und der König läßt sich auf das Spiel ein. Sie plaudern über Bäume im Allgemeinen und Birnbäume im Speziellen, essen Birnen, bis es Sabine dämmert, wen sie vor sich hat, weil sie ihn an der Stimme erkennt. Diese Stimme gehört übrigens Alan Rickman. Er verzaubert dieses Mal sein Publikum nicht als Magier, sondern ist das Oberhaupt sowohl im Film als auch am Set! Wenigstens im Film wird einmal etwas fertig und so dürfen wir mit dem König und seinem Gefolge den übrigens real existierenden „Salle de bal“ bestaunen. Ma copine francaise konnte sich an den Kostümen, der Landschaft und „hier ein Schloß und da ein Schloß“ kaum sattsehen. Ich gehe jetzt einmal wieder in den Garten an Tulpen schnuppern!

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In einem verwilderten Garten steht die Blindgängerin im Sonnenlicht. Sie trägt einen hellen Cowboyhut, Lederjacke, beigefarbene Jeans und Cowboystiefel. Auf der Schulter hält sie eine Gitarre. Einen Fuß stellt sie auf den Deckel eines Katzenklos. Im Vordergrund ein paar helle Steine, auf denen eine schwarze Stoffkatze sitzt.

Mülheim Texas – Helge Schneider hier und dort

Guten Tach, Helge Schneider! Und um Haaresbreite hätten wir uns ziemlich schnell wieder von ihm verabschieden müssen. Helge sitzt auf einem schwarzen Sessel und klimpert auf einer uralten elektrischen Orgel. Das Scheinwerferlicht richtet sich nur auf Helge, der Rest des Raumes bleibt im Dunkeln. Andrea Roggon, die Regisseurin im Off, fragt Helge nach seinen Gedanken zu dem großen Begriff „Freiheit“, die einem ja nicht einfach so gegeben wird. Ohne lange zu überlegen, meint er: „Nein, die muß man sich nehmen. Und das mach‘ ich jetzt.“ Steht auf und verläßt einfach die Szene. Aber keine Angst, er kommt sofort und für die nächsten ca. 100 Filmminuten wieder zurück. Was in diesen Minuten passiert, kann ich nur versuchsweise wiedergeben, weil im eigentlichen Sinne des Wortes „passieren“ nichts passiert. Mit dem Film versucht Andrea Roggon, Helge Schneider zu portraitieren, und hat ihn dafür über einen Zeitraum von vier Jahren interviewt und in allen möglichen und unmöglichen Lebenslagen gefilmt. Der Versuch des Portraits ist ihr gelungen, rausgekommen ist Helge Schneider! Ich habe ihm gerne zugehört, wenn er ruhig mit seiner angenehmen Stimme und dabei immer auf einem Musikinstrument improvisierend in die Kamera plauderte, konnte mir nur leider keine seiner Lebensweisheiten merken. Ich mag auch gar nicht spekulieren, ob er selbst das konnte… Ausgetobt hat er sich hinsichtlich seiner Verkleidungsmacke und beim Dekorieren seiner Szenenbilder draußen wie drinnen, durch die er Grimassen schneidend mit den schrägsten Verrenkungen tänzelt. Einmal dürfen wir ihn bei einem Spaziergang auf Feldwegen mit seinen beiden Hunden begleiten. Der Spitz und der Dackel verschwinden auf Handzeichen ins Gebüsch oder machen das, was Helge so einfällt. Daß er die beiden einmal an die Leine nimmt, kann man sich nur schwer vorstellen. Auf der Ruhr paddelt er durch die herunterhängenden Zweige der Weiden. Er duckt sich nicht, er schiebt die Zweige nicht beiseite. Er läßt die Blätter über sein Gesicht streifen, will die Natur hautnah erleben. Über sein Privatleben erfährt man erwartungsgemäß nix. Nur einmal, als er von seiner Begegnung mit Pferden erzählt und wie er mit den Tieren umging, kommt er auf seine Kinder zu sprechen. Er habe bei den Pferden wie bei seinen Kindern so wenig wie möglich regulierend eingegriffen, oder so ähnlich? Zwischendurch gibt’s immer wieder was für die Ohren! Der begnadete Musiker Helge setzt sich an eine Orgel, ein Klavier oder greift sich eines der anderen Instrumente, die er mit einer bewundernswerten und zu beneidenden Leichtigkeit spielt. Auch an Konzertmitschnitten wird nicht gespart. Für einige Minuten gestattet er uns Einblicke in die harte Probenarbeit mit seinen immer hervorragenden Musikern. Das bei den Konzerten spontan wirkende Hin und Her zwischen Helge und seiner Band ist haargenau festgelegt und muß exakt nach seinen Vorstellungen ablaufen. Der krönende Abschluß war das bei seinen Fans zu den Favoriten gehörende spanische Gedöns. Wenn Helge den Flamenco-Gitarristen und -Sänger gibt, bis die Finger endgültig zwischen den Saiten festhängen, bleibt kein Auge trocken! Wer Helge mag, mag auch den Film! Vor 12 Jahren war ich das erste Mal zunächst sehr widerwillig auf einem Helge-Konzert, schließlich kannte ich wie die meisten auch nur das „Katzeklo“. Ich hatte dann aber soooo viel Spaß, daß ich seitdem versuche, keinen seiner Berliner Auftritte zu verpassen. Daß ich einmal selbst als Helge-Imitat auf der Wiese stehen würde, hätte ich mir damals nie träumen lassen, aber so kann’s kommen! Bis jetzt kannte ich Helge „nur“ über meine Ohren. Dieses Mal hatte Greta einmal wieder Ausgang und jetzt kann ich mir eine Vorstellung über Helges Erscheinung im weitesten Sinne und seine Bewegungsabläufe machen. Dieser Kinobesuch war auch deshalb ein ganz besonderer, weil wir eine wenn auch kleine Gruppe Kinoblindgänger waren, um genau zu sein: Mit mir drei. Und dann haben wir noch einen weiteren Besucher mit dem weißen Stock entdeckt. Das macht Hoffnung!!! Über die Ausführlichkeit der Hörfilmbeschreibung gingen die Meinungen etwas auseinander. Die anderen beiden hätten sich eine detailliertere Beschreibung gewünscht, wofür auch Zeit gewesen wäre. Das mag für die eine oder andere Stelle zutreffen. Grundsätzlich gebe ich einer auf das Wesentliche beschränkten Hörfilmbeschreibung den Vorzug. Ich höre sehr gerne zwischendurch einfach nur die Geräusche von der Leinwand und träume so vor mich hin. Aber da sind die Geschmäcker eben verschieden. Toll ist, daß dieses Kinoerlebnis so überhaupt möglich geworden ist!!!

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Eine Regalwand aus hellem Holz. Auf dem Unterschrank steht eine Musikanlage mit Plattenspieler. Die Blindgängerin kniet davor und hebt den Tonarm an. Auf dem Plattenteller liegt statt einer LP eine große runde Uhr.

Nur eine Stunde Ruhe!

Nur eine Stunde Ruhe versucht der Zahnarzt und Jazzmusikliebhaber Michel während der 75 Filmminuten, einem ganz gewöhnlichen Samstag abzutrotzen. Er möchte sich einfach nur die frisch erworbene Schallplatte von Niel Youart, seiner Meinung nach dem Jazzklarinettisten schlechthin, aus den 50er Jahren zu Gemüte führen. Gerade hat er bei einem Bummel über einen Pariser Flohmarkt genau diese ihm in seiner immensen Sammlung noch fehlende Schallplatte entdeckt, hat mit seinen Begeisterungsausbrüchen noch den Preis in die Höhe getrieben, und denkt dennoch, ein Schnäppchen gemacht zu haben. Bestens gelaunt muß er bereits auf dem Heimweg zwei Telefonanrufe seiner Mutter abwehren, einen Patienten mit Zahnschmerzen vertrösten und seine Geliebte, die ihn dringlichst zu einem Treffen zitiert, abwimmeln. In der weiträumigen und nobel eingerichteten Wohnung angekommen, liegt die schwarze Scheibe endlich auf dem Plattenteller eines Plattenspielers im Wert eines Kleinwagens! Die Nadel schwebt über der Rille, setzt auf, und als knisternd die ersten Takte des Stückes „Me, Myself and I“ erklingen und er entzückt mitsummt, heult der Staubsauger auf, begleitet von lauten Schniefgeräuschen der putzenden Maria. Zeitgleich fordert die bildschöne psychisch leicht angeschlagene Gattin genau jetzt ein seit Jahren überfälliges klärendes Gespräch. Ein polnischer Handwerker portugiesischer Herkunft trifft bei äußerst geräuschvollen Durchbrucharbeiten die Abwasserleitung, sorgt für die Flutung eines der Zimmer und ruft den Mieter der darunterliegenden Wohnung, bei dem es jetzt durchregnet, auf den Plan. Wenn nicht gerade jemand unaufschiebbar genau jetzt mit ihm sprechen muß, wie auch sein bester ihn stets anpumpender Freund, klingelt entweder das Telefon oder es bimmelt an der Wohnungstür. Auf eine Stippvisite kommt der 30-jährige Sohn – von Beruf Globalisierungsgegner – vorbei, um seine schmutzige Wäsche bei Muttern abzugeben. Er lebt auf Papas Kosten in der Wohnung eine Etage höher, in der er einer neunköpfigen Flüchtlingsfamilie Asyl gewährt. Aber Michel gibt nicht auf! Immer wieder schwebt die Nadel über der schwarzen Scheibe, um wenn überhaupt, nur für einige Runden auf der Platte zu verweilen. Schön, daß dem guten alten Vinyl so eine bedeutende Rolle zugedacht wurde. Ich konnte mich mit dem auch schon wieder überholten Tonträger CD nie anfreunden. Die seelenlosen Plastikhüllen wollen sich schnell auflösen und gestapelt bei der geringsten Erschütterung umstürzen. An Schallplatten mag ich den Geruch und in Reih und Glied nebeneinandergestellt, geben sie im Regal auch ein schönes Bild ab. Die Lage eskaliert, als die Gemeinschaft der Hausbewohner wegen Regens sowohl draußen als auch in der darunterliegenden Wohnung spontan das für diesen Nachmittag anberaumte Mieterfest in Michels Wohnung verlagert. Sie rücken mit Kind und Kegel und mitgebrachten Speisen an. Der Sohn beschließt derweil, die Flüchtlingsfamilie in die größere und komfortablere Wohnung seiner Eltern umzuquartieren. Ruhe kehrt erst wieder ein, als Michel, nun von allen guten wie schlechten Geistern verlassen, allein in seiner völlig verwüsteten Wohnung zurückbleibt. Nur das kleine etwa fünfjährige Mädchen aus der Flüchtlingsfamilie ist dageblieben. Mit seinen großen dunklen Kulleraugen hat es Michel schon immer das Herz erweicht. Als er sich nun endlich wieder seiner Schallplatte widmen will und dabei erneut scheitert, gesellt sich das Mädchen zu ihm. Und bringt ihn auf eine gute Idee. Während der sehr kurzweiligen 75 Minuten steht Michel, gespielt von Christian Clavier, häufig kurz vor dem Kollaps. Er hatte doch kaum Zeit, sich von den Strapazen als M. Claude, Vater von vier Töchtern im heiratsfähigen Alter, zu erholen… Dem wachsamen Augenpaar an meiner Seite, das natürlich noch viel mehr Spaß hatte als ich, ist übrigens nicht entgangen, daß durch das Kappen der Frischwasserleitung die Abwasserleitung abgesperrt werden sollte, so ist das halt in Frankreich! Aber Komödien können sie unschlagbar gut, und das liegt bei diesem Film auch an den ausnahmslos tollen Darstellern!!!

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Elser – Er hätte die Welt verändert

Wäre es Elser gelungen, bereits am 08. November 1939 mit seiner selbst gebastelten Zeitbombe Hitler und den größten Teil der NS-Führungsspitze auszuschalten, hätte das bestimmt die Welt verändert! Über die Art der Veränderung kann man wild spekulieren, aber eines ist sicher: Schlimmer hätte es nicht kommen können. Der Regisseur Oliver Hirschbiegel (u.a. „Der Untergang“) hat mit seiner aktuell in den Kinos zu sehenden Verfilmung der Biographie Georg Elsers nicht nur bei mir eine Bildungslücke bezüglich der deutschen Geschichte geschlossen. Klaus Maria Brandauers Film „Elser, einer aus Deutschland“ von 1989 ist irgendwie an mir vorbeigegangen. Nach dem Kinobesuch habe ich mir mittels Wikipedia einen Überblick über Elsers Leben verschafft. Das hat mir geholfen, wenigstens im Nachhinein einige Szenen des Filmes besser oder überhaupt zu verstehen, weil die Hörfilmbeschreibung wieder einmal zu Hause bleiben mußte, wo auch immer das ist. Während der ersten Filmminuten war nur ein Stöhnen, Ächzen und Rutschgeräusche zu hören. Das waren Elsers letzte Anstrengungen, die Zeitbombe in der Säule hinter dem Rednerpult im Münchner Bürgerbräukeller zu installieren. Beim ersten Verhör wurde Elser angeherrscht, seine Hose herunterzulassen, man wollte seine Knie sehen. Ich habe mich gefragt warum, was wollen die mit Elsers Knie anstellen. Die Knie waren durch das Rumrutschen auf dem Boden des Bürgerbräukellers natürlich ramponiert und galten als ein wichtiges Indiz für seine Schuld. Elsers Plan war, Hitler und dessen Führungsspitze am 08. November 1939 mit einer von ihm allein gebastelten Zeitbombe zu vernichten. Bekanntermaßen hielt Hitler jedes Jahr genau an diesem Datum vor seinen Anhängern im Münchner Bürgerbräukeller eine Rede zum Gedenken an seinen am 08./ 09. November 1923 gescheiterten Putschversuch. Elsers Bombe ist wie von ihm zeitlich geplant explodiert, hat acht Menschen in den Tod gerissen und viele verletzt, nur die eigentlich Bestimmten wurden verschont. Wegen Bodennebels konnten Hitler und sein Führungsstab nicht wie geplant per Flugzeug nach Berlin zurück, sondern mußten auf einen früher fahrenden Sonderzug ausweichen. So haben sie 13 Minuten vor der Explosion den Bürgerbräukeller verlassen. Genauso tragisch finde ich, daß Elser bereits eine halbe Stunde vor der Zündung seiner Bombe bei seinem Versuch, sich in die Schweiz abzusetzen, verhaftet wurde. Seine Grenzkarte war abgelaufen, er trug das rote Abzeichen des Frontkämpferbundes, der Kampforganisation der KPD, und hatte eine Ansichtskarte des Bürgerbräukellers und Teile eines Zeitzünders bei sich. Das war nicht so durchdacht! In den Verhörräumen der Gestapo wird nun versucht, die Namen seiner Hintermänner aus ihm heraus zu prügeln. Keiner traut dem damals 36-jährigen einfachen Handwerksburschen aus dem Allgäu diese Tat im Alleingang zu. Immer wenn‘s all zu beklemmend in den Verhörräumlichkeiten wird, dürfen wir Zuschauer wie von Elsers Wunschdenken getragen in die Idylle des Allgäus und die wunderschöne Landschaft des Bodensees entfliehen. Elser war typisch für die „Luschtigen Leut“ dieses Landstriches kein Kind von Traurigkeit. Ich sage nur Wein, Weib und Gesang. Die Rückblenden zeigen, wie das häßliche Braun ab Anfang der 30er Jahre langsam, aber unaufhaltsam in den Alltag der doch so schönen Allgäuer Idylle sickert, bis Elser zu dem Schluß kommt, daß nur noch die Ermordung Hitlers das drohende Unheil abwenden könne. Bei einem der Verhöre wird ihm vorgehalten, daß die bei der Explosion zu beklagende Zahl der Todesopfer auf acht angestiegen sei. Einen Tag nach dem mißglückten Attentat wurden im KZ Buchenwald 20 Juden erschossen, als Vergeltungsakt. Das bei Regimen aller Couleur beliebte Druckmittel der Sippenhaft kam natürlich auch zum Einsatz. Als Elser mit der Sekretärin im Verhörraum für einige Augenblicke allein ist, nutzt er die Gelegenheit und bittet sie, den Opfern bzw. ihren Angehörigen sein Beileid zu übermitteln und seine eigene Familie zu benachrichtigen. Nach ganz kurzem Zögern schiebt sie Elser ein Schriftstück aus der Akte zu. Was auch immer darauf stand, ich habe keine Ahnung. Elser, bewundernswert und glaubwürdig dargestellt von Christian Friedel, erlebt beinahe das Kriegsende als Häftling unter vergleichsweise guten Bedingungen im KZ Dachau. Er hat eine Einzelzelle mit eigener Drehbank und seiner Zither. Hitler wollte ihn als seinen persönlichen Feind nach dem Endsieg in einem Schauprozess aburteilen. Wenigstens in dieser Hinsicht wurde Hitler ein Strich durch die Rechnung gemacht, was Elser allerdings 20 Tage vor der Befreiung Dachaus am 09. April 1945 mit seinem Leben bezahlen mußte. Der Film ist eine bewegende, lohnenswerte und längst überfällige Geschichtsunterrichtsstunde, in der keine Langeweile aufkommt. Auch besonders geeignet für Jugendliche ab 12 Jahre!

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Everything will be fine

Der Film ist der von Wim Wenders verfilmte Alptraum einer Mutter und eines Autofahrers in Schneeweiß und 3D! Am Ufer eines gefrorenen Sees irgendwo im tief verschneiten Kanada beobachtet der Schriftsteller Thomas am Ufer einige Männer beim Eisangeln. Über einen langen Steg gesellt er sich zu der Gruppe und wechselt mit Einigen, die er zu kennen scheint, kumpelhaft ein paar Worte über das Anbeißen der Fische. Zum Abschied bietet ihm einer der Angler eine Zigarette an, die er auf dem Weg zu seinem Auto mangels eines Feuerzeuges nicht anzündet, sondern einfach hinter seinem Ohr parkt. Gerade als er losfahren will, ereilt ihn ein Anruf seiner Freundin Sara. Sie erkundigt sich nach dem Stand der Dinge und den Fortschritten seiner schriftstellerischen Arbeit und wann sie zu Hause mit ihm rechnen könne. Genervt erwidert er, daß er ihr etwas sagen müsse, aber nicht jetzt, und legt auf. Während der Fahrt ist er mit dem Anzünden der Zigarette und dem Ignorieren zahlreicher Anrufversuche seiner Freundin beschäftigt. Als er wegen einer Umleitung auf eine noch unwegsamere und abgelegenere Straße ausweichen muß und wieder einmal sein Handy klingelt, kreuzt wie aus dem Nichts und blitzschnell ein Rodelschlitten seinen Weg. Er bremst und das zu vernehmende Geräusch verheißt nichts Gutes. Nach einigen Schrecksekunden, in denen er Stoßgebete von sich gibt, steigt er aus und stellt erleichtert fest, daß der kleine Junge unversehrt auf seinem Schlitten vor der Kühlerhaube sitzt. „Alles wird wieder gut“ murmelnd trägt er den fünfjährigen Christopher zu dem weit und breit einzigen, auf einer Anhöhe gelegenen kleinen Farmhäuschen, in dem Kate in ein Buch versunken am Kamin sitzt. Als Thomas ihr erklären will, daß eigentlich alles in Ordnung ist, fragt sie sofort und mehrmals: „Wo ist Nikolas?“ Sie stürzt hinaus zu dem parkenden Wagen und es ist nur noch ihr entsetzter Aufschrei zu hören. Noch mit diesem unter die Haut gehenden Schrei im Ohr erfahren wir nun, wie das Leben von Kate (Charlotte Gainsbourg), Thomas (James Franco) und dem heranwachsenden Christopher nach dem Unglück weitergeht, weil es ja irgendwie weitergehen muß. Zwölf Jahre ziehen vorbei. Die alleinerziehende Kate sieht man beim Schneeschippen, Brennholzsammeln, Laubfegen und sehr sehr oft beim Weinen. Die vielen schlaflosen Nächte verbringt sie mit Zeichnen, Lesen und Schreiben. Das Drehbuch bestimmt allerdings den schweigsamen und introvertierten Thomas als Hauptfigur, wie er mit sich um Schuld, Sühne und Vergebung hadert. Nach einem halbherzig durchgeführten Selbstmordversuch und begleitet von nicht unerheblichem Alkohol- und Drogenkonsum überwindet er seine schriftstellerische Schaffenskrise. Er verarbeitet das Drama in seinen Büchern und ihm gelingen dadurch einige Bestseller. Über seinen Verleger lernt er eine neue Liebe, ich glaube Annie, kennen und führt mit ihr und ihrer Tochter ein fast normales Familienleben. Als er nach fünf Jahren erstmals bei Kate auftaucht, begrüßt er sie mit sinngemäß folgenden Worten: „Ich gäbe alles, wenn ich das ungeschehen machen könnte!“ Ein Kind und dann auch noch im Kindesalter zu verlieren, ist das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann. Ich habe keine Kinder und möchte mir erst gar nicht vorstellen, was ich in diesem Fall dem Schriftsteller geantwortet hätte. Kate, deren Worte in dem Film abgezählt zu sein scheinen, erwidert übrigens: „Sind Sie gekommen, um uns das zu sagen?“ Aber eigentlich war sie gerade dabei, ein Buch des US-amerikanischen Schriftstellers William Faulkner aus dem letzten Jahrhundert zu zerreißen und anschließend zu verbrennen. Sie konnte sich an dem Unglücksabend nicht von diesem Buch lösen, um die Jungs, die schon längst hätten im Haus sein sollen, hereinzurufen. In ihrer Verzweiflung gibt sie abwechselnd sich und dem Buch die Schuld. Dieses Erwägen einer – wenn auch nur kleinen – Mitschuld habe ich bei Thomas vermißt. Die ausgedehnte Autofahrtszene vor dem Unglück zeigte wild wischende Scheibenwischer, also schlechte Sicht für den Fahrer. Sie zeigte das Herumhantieren mit der Zigarette und die ständig abgelenkten Blicke auf das Handy. Wäre die Tragödie nicht doch zu vermeiden gewesen? Thomas empfindet natürlich großes Bedauern, zeigt aber zumindest kein Schuldgefühl. Christopher nimmt als 15-jähriger erstmals Kontakt zu Thomas auf und konfrontiert diesen mit der Frage, ob es richtig sei, auf Kosten des Familienschicksals Bestsellerbücher zu schreiben, während seiner Mutter seitdem ihre Tätigkeit für einen Verlag nicht mehr so leicht von der Hand ging. Während der langen Pausen in den Dialogen ist es dank der 3D-Technik möglich und auch beabsichtigt, in den Gesichtern die Gefühlsregungen zu lesen. Der Hörfilmbeschreibung, die ich dank Greta einmal wieder ins Kino mitnehmen konnte, ist der Balanceakt gelungen, diese Gefühle in Worte zu fassen und Momente der gewollten Stille zuzulassen. Auf Beschreibung der Kleidung und anderer Äußerlichkeiten wurde weitgehend verzichtet. Die grandiose Filmmusik hat bei mir einige Male eine Anspannung fast zum Zerreißen erzeugt, als ob für Thomas noch ein weiterer Schicksalsschlag vorgesehen wäre.

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Zu Ende ist alles erst am Schluß

„Zu Ende!“ bekomme ich immer bei unseren Fernsehabenden am Schluß eines Filmes vom anderen Ende der Couch zugerufen. Nicht selten erwischt mich dieser Zuruf auf kaltem Fuße, wenn nämlich schon Schluß ist, wogegen nach meinem ganz subjektiven Empfinden der Film noch nicht zu Ende sein kann. Bis auf wenige Ausnahmen bevorzuge ich eine in sich schlüssige und abgeschlossene Filmhandlung. So wie beispielsweise bei dem französischen Film „Zu Ende ist alles erst am Schluß“! Die 85-jährige Madeleine, ihr Sohn Michel nebst Gattin Natalie und deren 23-jähriger Sohn Romain sind eine ganz normale, drei Generationen umfassende, in Paris lebende Familie. Gar nicht normal ist das Verhältnis der Großmutter zu ihrem Enkel. Als Romain sein verspätetes Erscheinen auf der Beerdigung seines Großvaters mit der Verwechslung des Friedhofes entschuldigt, lächelt Madeleine nur verständnisvoll. Sie meint, daß ihr Mann ebenso immer dann aufgetaucht sei, wenn man nicht mit ihm gerechnet habe. Nach der Beerdigung geht jeder wieder seine eigenen Wege und Madeleine kehrt jetzt alleine in ihre schöne typische Pariser Wohnung zurück. Als sie dort stürzt, beschließen ihre Söhne über ihren Kopf hinweg und natürlich nur zu ihrem Besten, daß sie in einer Seniorenresidenz besser aufgehoben sei. Die geistig hellwache Madeleine läßt sich zunächst darauf ein, als sie aber nach kurzer Zeit in ihre Wohnung zurück möchte, muß sie feststellen, daß diese hinter ihrem Rücken aufgelöst wurde. Wie ein junges Mädchen macht sie sich heimlich auf den Weg nach Étretat, einem wunderschönen, an der Steilküste der Normandie liegenden Badeort. In dem Städtchen war sie zur Schule gegangen und mußte wegen der Kriegswirren in den 40er Jahre nach Paris umsiedeln. Der Einzige, dem sie mittels einer Postkarte einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort gibt, ist ihr Enkel. Romain macht sich auch sofort auf den Weg. Er begleitet sie auf ihren Streifzügen durch ihre Jugend und weicht bis zum Schluß nicht von ihrer Seite! Ich habe Madeleine, gespielt von der als Sängerin bekannten Annie Cordy, sofort in mein Herz geschlossen und sie war für mich auch die wichtigste Figur des Filmes. Das klingt alles erst einmal ein bißchen traurig, ist es ja auch, wenn man daran denkt, daß man vielleicht selbst in absehbarer Zeit wie Madeleine eben nicht mehr so ganz frei über sich und sein Leben bestimmen darf oder kann. Da ist es tröstlich zu sehen, wie die alte Dame sich die Kontrolle zurückerobert. Dennoch mangelt es nicht an Situationskomik. Dafür sorgen vor allem Romains Eltern, gespielt von dem Komiker Michel Blanc und Chantal Lauby (Madame Claude!). Der Regisseur Jean-Paul Rouve philosophiert als Hotelbesitzer mit Romain über den Sinn des Lebens und ein Tankwart hilft mit Lebensweisheiten bei Romains Suche nach der großen Liebe aus. Zu Ende geht auch das Berufsleben von Romains Vater und bedingt dadurch beinahe die Ehe seiner Eltern. Es gibt allerdings auch einen Anfang: Romain hat während seines Aufenthalts in Étretat endlich die lang ersehnte Liebe gefunden. Auch seine Eltern haben sich gerade noch so kurz vor Schluß wieder berappelt. Daß alles erst am Schluß zu Ende ist, klingt plausibel, wann auch sonst. Wie wann was wo und mit welchem Schluß zu Ende geht, kann gewollt, geplant oder provoziert sein, kommt aber auch überraschend und anders als gedacht. Wie das Leben eben so spielt!

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Tod den Hippies!! Es lebe der Punk!

Das West-Berlin der 80er Jahre und die Landeier! Bis zum Mauerfall waren für den West-Berliner alle, die jenseits der Transitstrecke, also im Wessiland lebten, die Wessis. Wenn der West-Berliner auf seiner Insel mit der Spezies Wessi in Kontakt kam, belächelte er diese als Landeier. Nach dem Fall der Mauer wurde der West-Berliner, ob er wollte oder nicht, allerdings selbst zum Wessi. Nur für die Ossis hat sich da nichts geändert. In den 70er und 80er Jahren sind sehr viele junge Landeier nach West-Berlin ausgewandert, zumeist Wehrdienstvermeider und Lebenshungrige, die sich auf der Insel der Glückseligkeit fern der heimatlichen Kontrolle einmal richtig austoben wollten. Auch Robert und ich sind als Landeier Anfang der 80er, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Beweggründen, in West-Berlin eingereist. In dem Film „Tod den Hippies!! Es lebe der Punk!“ ist Robert (Tom Schilling) die Hauptfigur, an welcher der Autor und Filmemacher Oskar Roehler seine eigene West-Berliner Zeit abarbeitet. Nach dem Absolvieren des Abiturs an einem Internat im ländlichen Franken hat Robert genug von den ihn dort umgebenen sanftmütigen, verständnisvollen, friedliebenden, in Jesuslatschen und selbstgemachten Batikklamotten schwebenden und „Om“ rufenden Althippies. Mit Irokesenschnitt und versunken in einen schwarzen Ledermantel mutiert er zum Punker. Wenig gefühlvoll bringt er kurz vor seinem Verschwinden die bürgerlichen Zukunfts- und Familiengründungspläne seiner Freundin zum Platzen. Was er sucht, sind Exzesse in jeglicher Hinsicht. Während dieser Zeit war es in Berlin noch unmöglicher als heute, an eine bezahlbare Wohnung zu kommen, und so schlüpft Robert zunächst bei seinem Freund Schwarz, gespielt von Wilson Gonzales Ochsenknecht, unter. Dieser betreibt eine Peepshow, den „Dschungel der Lust“, und um an Bares zu kommen, darf Robert dort die Kabinen vom umhergeschleuderten Sperma reinigen. Der Reinigungsvorgang wird ziemlich detailliert gezeigt und ist, wie auch so manch andere Szene, nicht unbedingt etwas für zartbesaitete Gemüter. Auch Robert leidet unter diesem Anblick. Er sei doch Künstler, er liest anspruchsvolle Literatur und schreibt Gedichte, die in seinem Umfeld jedoch ziemlich verständnislos abgenickt werden. Quasi als Entschädigung führt Schwarz ihn in das Berliner Szene-Nachtleben ein und so trifft Robert in dem Club „Risiko“ auf Szene-Legenden wie Blixa Bargeld, Frontmann der Einstürzenden Neubauten, und Nick Cave. Der Club „Risiko“ war neben dem SO36 in Kreuzberg und der Music Hall in Steglitz einer der angesagten Orte, wo sich die seit Ende der 70er in Berlin entstehende New Wave-Szene tummelte. In der Peepshow windet sich die Tänzerin schlangenhaft zu den Klängen von Sandras Song „In the Heat of the Night“ und bringt die Kundschaft zum Überkochen. Im „Risiko“ dröhnt die mit ganzen drei Akkorden auf der E-Gitarre auskommende Punkmucke mit Grölgesang. Dagegen haben sich „This Is Not a Love Song”, hier in der Version von den Sex Pistols, und „I Wanna Be Your Dog” von Iggy Pop noch als melodiös abgehoben. Die Musik der 80er Jahre war in ihrer Abartigkeit so vielfältig oder in ihrer Vielfältigkeit so abartig, daß für jeden Geschmack etwas dabei war. Wir dürfen dann noch Zeuge von Exzessen jeglicher Art werden, bis die Westberliner Zeit Roberts ein jähes Ende findet, für dessen Gesundheit nur förderlich. Unbedingt erwähnenswert sind Roberts Erzeuger. Die Mutter, einmalig gespielt von Hannelore Hoger, hat trotz gezielten Komasaufens die Geburt ihres Sohnes nicht verhindern können und begegnet ihm mit einer unmöglich zu beschreibenden Abscheu und Ekel. Der vom Alkoholkonsum gezeichnete Vater, ehemaliger Kassenwart der RAF, träumt nur von den guten alten Zeiten und seiner Gudrun Ensslin. Mit der Punkszene hatte ich nichts, mit der Punkmusik nur sehr bedingt etwas am Hut. Trotzdem habe ich mit meinem damaligen Äußeren nur für kurze Zeit wohl so ein bißchen das Klischee des Landeies bedient. Nach den ersten blöden Sprüchen, wie sie nur von Urberlinern kommen können, habe ich sehr schnell gelernt, mich zu wehren, und mittlerweile sprüchekloppe ich mich mit den Berlinern auf Augenhöhe. Für das erste Jahr durfte ich mich bei Benno, einem schwulen Medizinstudenten, in einer Wohnung in Schöneberg einnisten. Wir waren beide illegale Untermieter und nach der „Kündigung“ hat es mich in den Wedding verschlagen. Ins tiefste Kreuzberg, der Nische und dem Tummelplatz der Wessis, habe ich mich nur selten verirrt. Daß sich Roberts und meine Wege gekreuzt hätten, wäre also auch schon von daher höchst unwahrscheinlich gewesen. Aber auch ich habe, wenn ich nicht gerade mit dem Studium beschäftigt war, so meine Erfahrungen in und mit der Stadt gemacht, die ich nicht missen möchte und die in Heidelberg so nicht möglich gewesen wären. Dieser Film sowie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ und „Herr Lehmann“ könnten den Schluß zulassen, daß West-Berlin damals nur von auf Staatskosten stets partymachenden jungen Leuten bevölkert wurde, die allmählich im Drogen-, Alkohol- oder sonstigem Szenesumpf versanken. Aber das Leben der „normalen“ Mehrheit bietet naturgemäß kein überwältigend aufregendes Filmmotiv. Wenn sich die Möglichkeit bietet, den Film mit Hörfilmbeschreibung zu sehen, bin ich ein zweites Mal dabei, da waren die Hörfilmbeschreiber sicher ganz schön gefordert!!!

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Das ewige Leben

Dies ist nach „Komm, süßer Tod“, „Silentium“ und „Der Knochenmann“ die vierte Verfilmung aus einer Krimibuchreihe von Wolf Haas, in der sich der auf dem sozialen wie gesundheitlichen Treppchen stets abwärtsbewegende Privatdetektiv Brenner für die Erhöhung der Aufklärungsquote von Verbrechen in Österreich einsetzt. Brenner ist also so eine Art Dauerbrenner. Ohne Souffleur und Greta war ich auf das Deuten von Geräuschen und das Gesprochene angewiesen und prompt begann der Film mit einem tumultartigen Dialog in einer südosteuropäischen Sprache. Im Nachhinein hat dieses erste Nichtverstehen glücklicherweise meinem Verständnis der Handlung keinen Abbruch getan. Danach ging’s nur noch auf Deutsch bzw. Österreichisch, also a bisserl gemächlich und gemütlich weiter. Und genau so wird Brenner in einer Wiener Amtsstube von einer Beamtin erklärt, daß er als – von mir geschätzt – Endfünfziger frühestens mit 84 Jahren mit einer Mindestrente rechnen könne. Arbeitslos, wohnungslos, gesundheitlich angeschlagen und nicht krankenversichert, hat er natürlich kein Boot und auch kein Pferd, aber wie ihm plötzlich einfällt, immerhin ein Haus. Mit seinem Führerschein bewaffnet und dem, was er auf der Haut trägt, schwingt er sich auf sein Moped und macht sich widerwillig, aber notgedrungen auf den Weg zu seinem seit Jahren leerstehenden Elternhaus nach Graz. Dort kommt er im strömenden Regen bei Dunkelheit an und versucht zunächst, den Strom zu reaktivieren. Als ihm das irgendwie gelingt, setzt sich die ewige Schallplatte, und zwar die noch auf dem Plattenspieler ausharrende, in Gang: Eric Burdon mit dem Song „When I was young“. So liebenswert leiernd und knisternd, wie es eben nur eine Schallplatte vermag, singt Mr. Burdon mit seiner unverkennbaren Stimme je nach Stromzufuhr über die längst vergangenen Zeiten. Auch Brenner wird ganz schnell ein Lied von seiner Vergangenheit singen können und müssen. In gelegentlichen Rückblenden ist er als junger Mann mit seinen drei Kumpels, Köck, Aschenbrenner und dem in der Gegenwart nicht mehr auftauchenden „vierten Mann“ zu sehen. Die vier haben gemeinsam die Polizeiausbildung absolviert, sind zusammen verreist und haben so den einen oder anderen Blödsinn angestellt. Den nicht gerade als Sympathieträger durchgehenden Köck sucht Brenner als Erstes auf, um bei diesem seine Waffe, eine Walther PPK, in Bares umzusetzen. Von dieser Art Waffe sind viele im Umlauf. Köck betreibt inzwischen ein mehr schlecht als recht laufendes An- und Verkaufsgeschäft. Gegen den Willen Brenners telefoniert er recht schnell den Aschenbrenner dazu, der als Einziger von der Clique Karriere gemacht hat und als Brigadier der Grazer Polizei vorsteht. Das Auftauchen Aschenbrenners als der personifizierten Polizei löst eine Kette tragischer Ereignisse aus. Während es Brenner gelingt, trotz einer Kopfschußverletzung gerade noch so lebend in einem Krankenzimmer aufzuwachen, hat Köck diesbezüglich weniger oder vielmehr gar kein Glück. Brenner will nicht glauben, was man ihm erzählt, nämlich daß er versucht hätte, sich selbst umzubringen. Fatalerweise hat er aber mit einem dramatischen Gedächtnisverlust zu kämpfen. So nach und nach berappelt er sich wieder, erinnert sich an seine Qualitäten als Privatdetektiv und bringt Licht in das sehr vertrackte Dunkel. Der von Josef Hader wunderbar gespielte Brenner hat als jemand, der nichts zu verlieren hat, vor nichts und niemandem, nicht einmal vor sich selbst Respekt. Das bekommen die ermittelnden Polizisten, die Ärzte und Krankenpfleger und auch die ihn behandelnde und eine Schlüsselrolle einnehmende Psychologin zu spüren. Wer wie ich Freude an (selbst-) ironischen, spöttischen und eindeutig zweideutig zu verstehenden Schlagabtauschen hat, ist in diesem Film bestens aufgehoben. Eine sehr wichtige Rolle spielt die von der vierköpfigen Wiener Band „Sofa Surfers“ beigesteuerte Filmmusik! Brenners Kopfschmerzen waren so drastisch plastisch vertont, daß Ansteckungsgefahr drohte. Die musikalische Untermalung hat mir auch oft geholfen, das Geschehen auf der Leinwand zwischen den Dialogen zu erahnen. Wäre die für tausende von Euro doch bereits produzierte Hörfilmbeschreibung über Greta verfügbar gewesen, hätte ich genauso oft lachen können wie all die anderen Zuschauer! Ich mache jetzt mal eine Milchmädchenrechnung auf: Bei 8,00 Euro pro Eintrittskarte müßten sich nur 200 Leute, idealerweise Kinoblindgänger, zusätzlich den Film anschauen, verteilt auf sämtliche Kinos der ganzen Republik. Damit wären die für Greta anfallenden 1.600,00 Euro schon eingespielt. Das sollte doch zu schaffen sein, oder???

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Deutscher Hörfilmpreis

Zum 13. Mal die Verleihung des Deutschen Hörfilmpreises in Berlin, für mich eine Premiere! Normalerweise schreibe ich über höchstens 130 Kinominuten! Am Dienstag im Atrium der Deutschen Bank sind von 19.00 bis 24.00 Uhr eine Unmenge von Eindrücken auf mich eingeprasselt und ich weiß gar nicht so recht, wie ich da einen roten Faden hineinbekommen kann. Daß ich überhaupt dabei sein durfte, verdanke ich Claudia Schaffer vom DBSV. Als sie von meinem Blog erfuhr, hat sie mich sofort auf die Gästeliste gesetzt, konnte aber noch nicht versprechen, ob das auch klappt. Letzte Woche kam die ersehnte Zusage. Begleitet, mit Getränken versorgt und durch die Massen bugsiert hat mich meine Freundin Pascale. Bei grob geschätzt 900 Gästen kann man schon von Massen sprechen. Wirklich sehr viele trugen den weißen Stock. Wer eigentlich auch einen Preis verdient hätte, ist das Servicepersonal, das ständig und überall Tabletts mit Getränken und Häppchen vom Allerallerfeinsten an Sehenden und Nichtsehenden vorbeibalanciert hat. Da gab es nichts, was es nicht gab, und ich wäre gerne einmal kurz Mäuschen in der Küche gewesen oder vielleicht auch besser nicht. Sich von einer Platte ohne Zerstörung der umliegenden „Kunstwerke“ gezielt ein Häppchen herauszufischen ist, wenn man nichts sieht, ein Ding der Unmöglichkeit. Pascale hat mich treffsicher immer mit dem Besten versorgt, wir sind schon ein eingespieltes Team. Jetzt aber zum eigentlichen Thema! Zuerst einmal ein dickes Dankeschön an den DBSV und alle Mitwirkenden für diesen rundum gelungenen Abend in dem wunderschönen Atrium der Deutschen Bank Unter den Linden. Als schließlich auch der letzte Stuhl seinen Besetzer gefunden hatte, übernahm der TV-Journalist Mitri Sirin das Wort und begleitete uns charmant und souverän durch das zweistündige prallgefüllte Programm des Galaabends. Alle Akteure, ohne die die Institution „Deutscher Hörfilmpreis“ undenkbar wäre, wurden auf der Bühne begrüßt, in ein kurzes Gespräch verwickelt und natürlich immer, besonders die Damen, genauestens beschrieben. Das waren Vertreter des DBSV, die Sponsoren, die Gastgeberin Deutsche Bank, Vertreter aus der TV- und Kinobranche, die Jury, die Schirmherrin Christine Neubauer, Verena Bentele, die ergebnisverkündenden Öffnerinnen und Öffner der roten Briefumschläge und natürlich die glücklichen Gewinner der drei Kategorien. Um allen Gästen zu zeigen, wie wichtig Hörfilmbeschreibungen für Kinoblindgänger sind, wurden aus einer Filmszene zuerst nur die Geräusche abgespielt, dann kam die Hörfilmbeschreibung dazu und im dritten Schritt gab es Geräusch, Hörfilmbeschreibung und Bild. Das war eine sehr schöne Idee. Ich habe mich bei dem Versuch, die Geräusche zu deuten, ganz schön verdeutet. Erst mit der Hörfilmbeschreibung war der Filmausschnitt zu erkennen: Die berühmte Duschszene aus Alfred Hitchcocks „Psycho“. Mitri Sirin hat bei all seinen Gesprächspartnern eine Einschätzung sowohl des bereits Erreichten als auch der Zukunft des Hörfilmes herausgekitzelt. Abgesehen von einigen konkreten Projekten fasse ich das sehr pauschal so zusammen, daß bereits viel geschafft wurde, aber der Weg noch lang und auch ein bißchen steinig ist. Dem schließe ich mich einfach mal an, finde aber, daß in den letzten zwei Jahren ein extrem großer Schritt nach vorne gelungen ist. Ich für meinen Teil habe schon einmal die Ärmel hochgekrempelt und mir spuken auch schon viele Ideen im Kopf rum! Die musikalische Heldin des Abends war Judith Holofernes, begleitet von zwei Musikern ihrer Band. Für sie war das die erste Tuchfühlung mit dem Thema Hörfilm und sie meinte, daß sie mit ihren Songtexten ja auch irgendwie einen Hörfilm schreibt. Das stimmt, bei dem zweiten Song, „Pechmarie“, der mir auch am besten gefiel, hatte ich sofort Bilder im Kopf. Vor ihrem Abschiedssong ist sie auf den Geschmack des Beschreibens gekommen und hat sich gleich an ihren Musikern versucht. Spontan jemanden treffend und ohne ihm zu nahe zu treten zu beschreiben, ist gar nicht so einfach. Einige Male mußte sie sich auch das Lachen verkneifen. Und endlich kamen die Öffnerinnen und Öffner der roten ergebnisverkündenden Briefumschläge zum Zuge. In der Kategorie TV gewann der Film „Landauer – der Präsident“, in der Kategorie Kino der Film „Zwischen Welten“ und mit dem Publikumspreis wurde „Auf das Leben!“ gekürt. Ich dachte gerade so für mich, daß wäre es leider schon gewesen, als die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth in einem roten Mantel und der Regisseur und Oscar-Preisträger Pepe Danquart mit einem schwarzen Hut mit noch einem roten Briefumschlag ins Rampenlicht traten. Frau Roth meinte, die Jury wolle ein Projekt mit einem Sonderpreis belohnen, das sich besonders und wie kein anderes um ein barrierefreies und inklusives Kinoerlebnis für Blinde und Sehbehinderte verdient gemacht hat. Mir ist natürlich sofort die App von Greta und Starks durch den Kopf geschossen und dann gibt Claudia ihrem roten Outfit durch das Aufsetzen ihrer Brille die grüne Note und spricht es aus! Die App von Greta und Starks wird als Projekt mit einem Sonderpreis ausgezeichnet!!! Die App geisterte zwar einige Male während des Abends durch die Gespräche im Saal, aber Frau Roth hat es klipp und klar ausgesprochen. Nur wenn ein Film über Greta verfügbar ist, können Kinoblindgänger entscheiden, wann und in welchem Kino sie den Film sehen möchten. Für diese klaren Worte bin ich ihr wirklich sehr dankbar. Die Freude beim Team von Greta war natürlich riesig und auch das Publikum hat sehr sehr begeistert applaudiert. Das war der krönende und überraschende letzte Programmpunkt des Abends. In wenigen Minuten wurden dann mal eben 900 Stühle beiseite geräumt, um Platz für den geselligen Teil des Abends zu schaffen. Pascale und ich saßen solange auf einer Bank direkt am Küchenausgang und keine Platte mit den Häppchen kam unbeschadet an uns vorbei. Die verbleibende Zeit haben wir dann plaudernd mit dem natürlich überglücklichen Team von Greta, den Herren Ullmann und Kaminski (Herr Kaminski, selbst blind, ist Hörfilmbeschreiber) und einer Kollegin von Eurotape sowie der Hörfilmbeschreiberin Marit Bechtloff und Petra Wagner vom DBSV verbracht. Kurz sprechen konnten wir auch mit Frau Bentele und ihrem Kulturreferenten Herrn Krüger. Frau Roth konnten wir trotz ihres auffallend roten Mantels nicht mehr ausfindig machen. Das war’s für dieses Jahr mit dem Hörfilmpreis, und wenn ich einmal wieder dabei sein darf, immer wieder gerne!!! Jetzt gehe ich aber erst mal wieder ins Kino.

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