Blog Blindgaengerin

Hier und da unterwegs

Die Blindgängerin an einem langen Tisch zusammen mit Studentinnen der Uni Konstanz. Alle lachen gemeinsam.

Immer wieder sehr gerne…

Foto Copyright: Jurek Sehrt …war und bin ich sofort dabei, wenn sich junge Leute mit Fragen bezüglich ihrer Projekte an mich wenden! Bei dem Dokumentarfilm „Hören, was andere sehen“ ging mein Einsatz aber über das Beantworten von Fragen hinaus. Neben Sascha Schulze aus München und Thorsten Schweinhardt aus Frankfurt am Main wurde auch ich in dem Film vorgestellt. Gemeinsam ist uns sowohl die Begeisterung fürs Kino als auch eine Sehbeeinträchtigung. Der inzwischen fertige und mit der Note „sehr gut“ bewertete Film ist die Bachelorarbeit von drei Studenten aus Dortmund, die dort an der Fachhochschule Film & Sound studieren. Die drei Tage dauernden Dreharbeiten in Berlin waren ganz schön aufregend, aber wir hatten viel Spaß! Ich bin von dem Ergebnis sehr begeistert und drücke die Daumen, daß es gelingt, den Film in diesem Jahr auf möglichst vielen Festivals zu zeigen! Etwas über eine Stunde dauerte das Gespräch mit einer Studentin der Medienwissenschaften an der Filmuniversität Konrad Wolf in Potsdam. Für ihre Masterarbeit zum Thema „Barrierefreiheit und Kino“ interessierte sie, warum ich so gerne ins Kino gehe, wie das funktioniert und wie ich Filme wahrnehme. Ganz ähnliche Fragen wurden mir am 03. Februar in einem Seminarraum in der „Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen“ am Potsdamer Platz gestellt. Hier saßen mir aber gleich 20 Studentinnen des Bachelorstudiengangs „Literatur Kunst Medien“ der Universität Konstanz gegenüber. Das war für mich einmal eine ganz neue, interessante und sehr schöne Erfahrung! In einer sehr lockeren Atmosphäre stellte ich mich kurz vor und beantwortete dann die vielen Fragen. Und dann war die Zeit auch schon um! Die fünftägige Exkursion der Studentinnen in Berlin war ein Teil der Lehrveranstaltung „Kino – Film – Museum: Inklusion und audiovisuelle Medien“. Diese wurde durchgeführt von Robert Stock von der Universität Konstanz und Jurek Sehrt, Historiker und Museumsvermittler aus Berlin. Informationen über die beiden sehr sympathischen Herren, Berichte zu den Fachbesuchen und den Gesprächen mit den Experten und Expertinnen gibt es auf dem Blog „Mediale Teilhabe“ unter dem Link: https://mediaandparticipation.com/kino-film-museum-praxis-seminar/ Zum Text zu meinem Beitrag geht es hier: https://mediaandparticipation.com/kino-film-museum-kinoblindgaenger/ Und schon geht es weiter mit dem nächsten Projekt, ich freu mich drauf!

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Die Blindgängerin in der Haltung der Skulptur "Die Lauschende". Vor einem blauen Himmel hält sie die rechte Hand vor Augen und Stirn, die Linke legt sie lauschend hinter das Ohr. In der linken Hand hält sie einen Zweig, auf dem ein kleiner bunter Vogel sitzt.

Dreimal dabei!

Endlich geschafft, Winter adé! Der Frühling, meine Lieblingsjahreszeit, ist im Anmarsch und ich werde mich an dem Gezwitscher der Vögel gar nicht satt hören können. Auch „Die Lauschende“ hat wie jedes Jahr um diese Zeit, wenn auch aus einem anderen Grund, schon die Ohren gespitzt. Vor allem aber ist sie gespannt, wer sie am 20. März bei der Verleihung des Deutschen Hörfilmpreises als Trophäe für die herausragendsten Hörfilm-Produktionen aus Kino und TV nach Hause tragen wird! Die von Kinoblindgänger gGmbH eingereichten Hörfilme „Mein Leben als Zucchini“ und „Django – Ein Leben für die Musik“ sind leider nicht unter den Nominierungen. Aber bei drei von den insgesamt 16 nominierten Hörfilm-Produktionen habe ich mitgearbeitet! Ich verrate fairnesshalber nur so viel: Es sind zwei Dokumentarfilme und ein Spielfilm, und alle drei sind im Kino gelaufen! Denn jetzt sind für den Publikumspreis auch eure unvoreingenommenen Ohren gefragt! Bis zum 14. März ist noch Zeit, sich unter den alphabetisch aufgelisteten Hörfilmen mit Hilfe einer jeweiligen Hörprobe für den besten zu entscheiden! Und hier geht‘s zur Abstimmung: Deutscher Hörfilmpreis 2018/ Publikumspreis Zum zweiten Mal beim Deutschen Hörfilmpreis dabei ist übrigens Steven Gätjen! Er wird die Galaveranstaltung im Berliner „Kino International“ bestimmt genauso frisch und charmant moderieren wie schon im letzten Jahr. Und zum 16. Mal dabei ist „Die Lauschende“. Die Skulptur des blinden Künstlers Dario Malkowski ist ein rund drei kg schweres Bronzerelief, das ein Frauengesicht zeigt. „Die eine Hand liegt hinter dem Ohr, um das Hören deutlich zu machen, die andere Hand bedeckt gedankenvoll die Augen“, beschreibt der Künstler selbst die Darstellung. Zu guter Letzt braucht es für einen Preis aber immer einen Initiator, und das war im Jahr 2002 der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V., zugleich der Veranstalter des Ganzen!

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Die Blindgängerin steht mit dem Moderator Stefan Parrisius vom Bayerischen Rundfunk vor einer orangefarbenen Wand.

Das war knapp!

Foto Copyright: Bayerischer Rundfunk Ein bisserl aufgeregt war ich schon, vor meinem ersten fast einstündigen Gespräch in einer live ausgestrahlten Radiosendung! Noch größer allerdings war meine Sorge, daß mich bis zum 26. Februar ein Bazillus oder Virus niederstreckt. Und prompt reiste ich etwas angeschlagen vom sehr kalten Berlin ins eisig kalte München. Zum Glück hat meine Stimme ganz gut durchgehalten und sich dann erst am späten Abend für ein paar Tage verabschiedet. Eine halbe Stunde vor der Sendung begrüßte mich der sehr sympathische Moderator Stefan Parrisius im Foyer des Bayerischen Rundfunks. Wir waren an diesem Nachmittag das Doppel in „Eins zu Eins. Der Talk“ auf Bayern 2! Gleich in ein nettes Gespräch verwickelt, war die Aufregung zunächst verflogen. Auf dem Weg ins Studio machte ein Fotograf die Bilder für die Internetseite des Senders und dann wurden auch schon die Mikrophone eingepegelt. Meines hing gefühlte zehn Zentimeter vor meiner Nasenspitze in der Luft. Als Orientierung, um nicht daran vorbeizusprechen, positionierte ich meinen Stapel Taschentücher leicht schräg rechts und das Wasserglas links vom Mikrophon wie ein Dreieck auf der Tischplatte. Mit den Wetter- und Verkehrsmeldungen meldete sich für die ersten acht Minuten bis zur Musikeinlage von Stevie Wonder die Nervosität doch noch einmal zurück. Obwohl, einen rationalen Grund dafür gab es eigentlich nicht. Die Gäste des Talks werden zu ihrer Lebensgeschichte, Erfahrungen oder persönlichem Engagement befragt. Und wer sollte besser über mich Bescheid wissen als ich selbst! Ich weiß nicht mehr, was größer war, meine Überraschung oder meine Freude über die Einladung nach München in die Sendung! Und jetzt gibt es zum Nachhören, wie Stefan Parrisius mir seine Fragen zuwarf und ich ihm meine Antworten, immer ohne Ballverlust. Die 55 Minuten verflogen so schnell, daß mir gerade noch Zeit blieb zu sagen: „Hat Spaß gemacht!“ „Eins zu Eins. Der Talk.“ Sendung vom 26.02.2018    

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Die fünf Teams, jeweils ein Youtuber und ein oder zwei Menschen mit Behinderung

Thank God it’s Friday – jetzt sogar barrierefrei!

Für die meisten von uns läutet der Freitag, der schönste Tag der Woche, das sehnsüchtig erwartete Wochenende ein. Das haben wir allerdings nicht dem lieben Gott zu verdanken. Nach dem Willen des HERRN ist für seine Schöpfung nur der siebte Tag, der Sonntag, zum Ausruhen vorgesehen. Die Fünf-Tage-Woche ist also eine rein irdische Erfindung. Genauso verhält es sich auch mit dem #barrierefreiTag, der vor kurzem schon zum zweiten Mal natürlich nicht zufällig auf einen Freitag fiel. Der Dank dafür gilt zunächst den Leuten von der Aktion Mensch, die hinter dieser großartigen Initiative stecken. Fünf YouTuber luden am 1. Dezember auf den Kanälen für ihre Abonnenten überraschend anders gestaltete Videos hoch. Überraschend anders deshalb, weil die fünf nicht wie gewohnt alleine, sondern meist als Duo vor der Kamera agierten. Sie hatten nämlich jemanden an ihrer Seite, der nicht nur dasselbe Interesse, sondern auch eine Behinderung hatte. Man muß sich also auch bei den YouTubern und ihren jeweiligen Video-Partnern und -Partnerinnen bedanken! Die YouTuber waren übrigens überrascht, wie locker, entspannt und bereichernd das alles war. Die fünf Videos sind der beste Beweis dafür, daß wir, Menschen mit und ohne Behinderung, mehr gemeinsam haben, als wir denken! Wie zum Beispiel Musik machen, journalistisch arbeiten, Mutter sein, Dinge selbst basteln oder ins Kino gehen und dann über die Filme sprechen oder schreiben. Das Thema „Kino“ durfte ich gemeinsam mit dem YouTuber Dominik Porschen abdecken. Wir trafen uns in Köln in seiner „Filmlounge“ und waren sofort ein Kiek und ein Ei! Alle Videos, ein Blick hinter die Kulissen und Interviews von allen Mitwirkenden sind auf der Seite von Aktion Mensch zu finden: www.aktion-mensch.de/barrierefreiTag Der Anlaß für den zweiten #barrierefreiTag am Freitag, dem 01.12., war der Internationale Tag für Menschen mit Behinderung am 3. Dezember. Aber braucht es eigentlich immer einen Grund? Es gibt so viele interessante YouTuber, die sich im Netz tummeln. Es gibt so viele Menschen, die sich in der digitalen wie der analogen Welt für etwas engagieren. Die etwas Gutes bewirken wollen, ob in ihrem Alltag, ihrer Arbeit oder für ein spezielles Projekt. Und darunter sind natürlich auch Menschen mit Behinderung! Sollte es da nicht möglich sein, jeden Tag zum barrierefrei-Tag werden zu lassen? Ein toller Anfang ist ja schon einmal gemacht!  

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Ein Golden Retriever schüttelt sich das Wasser aus dem Fell und setzt zum Laufen an.

Ganz Ohr beim DOK Leipzig…

…war ich vor kurzem drei aufregende Tage lang beim 60. Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm, kurz dem DOK Leipzig! So spontan wie begeistert hatte ich die Einladung angenommen, mir die mit Audiodeskription angebotenen Filme des Festivals anzuschauen und darüber zu schreiben. Doch dann ging es mir wie dem braunen Hund, dem einzigen Protagonisten des DOK Leipzig-Trailers 2017: Ich mußte mich kräftig schütteln, genau gesagt, etwas abschütteln! Der Vierbeiner schüttelt sich Wassertropfen aus seinem nassen Fell. Bei mir waren es langsam aufkommende Bedenken, wie ich drei Tage und Nächte auf mich allein gestellt in Leipzig klarkommen sollte. Im nachhinein völlig unbegründete Bedenken! Nach dem erfolgreichen Geschüttel heben sich die Pfoten des Hundes vom Boden ab, er setzt zum Laufen an und bellt. Ich habe mich, bestens vorbereitet, aber ohne zu bellen, auf den Weg nach Leipzig gemacht. „Wir wollen, daß möglichst viele Menschen DOK Leipzig besuchen können.“ Diese wunderbar inklusive, schnörkellose Devise hat sich das Festival ganz groß auf die Fahne geschrieben und setzt damit für andere Filmfestspiele wegweisende Maßstäbe.  Und in diesem Jahr setzt das DOK Leipzig noch einen drauf! Denn während sich die barrierefreien Angebote bisher schon an Besucher mit Mobilitäts- oder Hörbeeinträchtigungen richteten, kamen nun zum ersten Mal auch Leute wie ich, die Kinoblindgänger, voll auf ihre Kosten! Für 13 Kurz- und Langfilme wurden extra für das Festival Audiodeskriptionen produziert. Die Mammutaufgabe, unter 340 Filmen aus 53 Ländern ein möglichst vielfältiges Spektrum abzudecken, wurde, wie ich finde, mit Bravour gelöst! Auf der App Greta bereitgestellt, ließen sich die Audiodeskriptionen zu den Filmen auf das Smartphone herunterladen und im entsprechenden Kinosaal per Kopfhörer diskret abspielen. Die Kinobesucher mit Hörbeeinträchtigungen hatten die Wahl unter zehn Filmen mit erweiterten Untertiteln. Damit kamen auf den Apps Greta und Starks 23 barrierefreie Angebote zu den Filmen zusammen. Wer kein eigenes Smartphone hatte, konnte sich unkompliziert ein bereits präpariertes Gerät ausleihen. Und was bestimmt alle Besucher des DOK bestätigen werden: Die Serviceleute vor und in den Sälen waren durchweg sehr freundlich, aufmerksam und hilfsbereit! Zu Beginn jeder der vielen hundert Kinovorführungen bellte der Dog des DOK Leipzig- Trailers 2017 auf der Leinwand und im Netz bellt er sogar barrierefrei. Einen Festivaltrailer mit Audiodeskription hat es bis jetzt noch nicht gegeben, einfach phänomenal! Und hier ist der Link zum Nachhören und -sehen: DOK Leipzig Trailer 2017 Gefördert wurden diese barrierefreien Maßnahmen durch das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst und mit hierfür vorgesehenen Landesmitteln. Mein Festivalprogramm, vorgeschlagen und liebevoll zusammengestellt vom DOK Pressebüro! In drei Tagen nicht um die ganze Welt, aber in 13 Filmen und drei Veranstaltungen viele fremde Welten zu entdecken und kennenzulernen, das war sportlich! Aber mit Julia, einer Kunststudentin aus Leipzig, an meiner Seite, mußte ich nichts auslassen und bin auch nicht verhungert. Wir waren auf Anhieb ein super eingespieltes Team! Zu verdanken hatte ich die extrem sympathische Begleitung Gerald Schuster, zuständig für Programmassistenz und Inklusion beim DOK. Foto: DOK Leipzig/ Susann Jehnichen Und jetzt Film ab mit „Sog“, einem zehnminütigen Animationsfilm! Wer oder was schreit hier eigentlich so schrecklich von der Leinwand? Die folgende Antwort bekam ich prompt über meinen Kopfhörer auf die Ohren: Es seien nach einer Flut in Bäumen gestrandete Fische, die nach Luft schnappen. Denn gleich die ersten Schreie dieser armen Kreaturen aktivierten die App Greta zum Abspielen der Audiodeskription. Diese war zum Verständnis des absolut dialogfreien Kurzfilms unverzichtbar und hat wunderbar funktioniert. Mir wurde genauestens das plötzliche Auftauchen schlecht gelaunter zotteliger Bewohner einer benachbarten Höhle beschrieben und wie die sich dann anbahnende Katastrophe unaufhaltsam ihren Lauf nimmt. Bei dem Dokumentarfilm „Sandmädchen“, der mich sehr berührte, fehlt es nicht an Gesprächen. Das Besondere ist die Art und Weise, in der sie geführt werden. Denn Veronika Raila kann hören, aber nicht sprechen. Die junge Frau, eine Autistin, ist von Geburt an körperlich schwer behindert und zu schwach, die Tastatur eines Computers alleine zu bedienen. Von der Hand ihrer Mutter gestützt, schreibt und veröffentlicht sie Prosa und Lyrik. Die im Film vorgetragenen Auszüge ihrer Texte haben mich umgehauen! Nur dank der Audiodeskription, die mit sehr viel Feingefühl eingesprochen war, hat sich für mich die Tür zu Veronikas Welt, in der es sehr behutsam und ruhig zugeht, einen Spalt breit geöffnet. Kontrastreicher als mit dem Animationsclip „Scratchy“ hätte es nicht weitergehen können, nämlich drei Minuten lang laut und chaotisch! Mein Hirn war ganz schön gefordert, aus den vielen präzisen und knackigen Infos der Hörfilmbeschreibung vor meinem geistigen Auge Bilder entstehen zu lassen. Aber es hat geklappt und ich konnte mich über mein Ergebnis mit anderen Kinobesuchern austauschen. Julia war von der schillernden Figur des Filmemachers so fasziniert, daß ich eine spontane Live-Audiodeskription vom Outfit des um die 70-jährigen Herrn bekam. Zu Ende ging der erste Abend krachend laut mit „Wildes Herz“, einem Film über die Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ aus Mecklenburg-Vorpommern. Im Fokus steht vor allem der Frontmann und Sänger Jan „Monchi“ Gorkow. Hier waren das Sortieren der vielen gleichzeitig agierenden Beteiligten und die zahlreichen schnellen Ortswechsel eine Herausforderung an die Hörfilmbeschreiber. Die Informationen mußten dann oft knappgehalten und in die sehr lauten Musikeinlagen plaziert werden, ohne diese zu zerpflücken. Das ist gelungen! Es gab aber auch ruhige Momente, wenn z.B. alte Fotoalben und Familienvideos herausgeholt wurden und auch ich mir diese dank der Beschreibung mit anschauen konnte. Resümee des ersten Tages: Ohne die durchweg sehr gut gemachten Audiodeskriptionen hätte ich mir die Animationsfilme schenken können und bei den Dokumentarfilmen wäre mir mehr als die Hälfte verborgen geblieben. Das gilt auch für alle neun noch ausstehenden Filme, von denen ich mir jetzt nur noch drei herauspicke. In diesen drei Dokumentationen wird nicht ein deutsches Wort, sondern arabisch, hebräisch oder spanisch gesprochen. Die Audiodeskription muß also nicht nur die Bilder vermitteln, sondern zusätzlich mit jeweils mindestens zwei Sprechern die deutschen Untertitel über die Originalstimmen vorlesen. Die saudi-arabische Dichterin Hissa Hilal ist “The Poetess”, eine bewundernswert starke und mutige Frau. Sie erzählt, wie ihr Gedicht gegen die blinde Wut der religiösen Fanatiker, das sie im Fernsehen bei einem Dichterwettstreit vorträgt, ihr Leben und das ihrer Familie verändert hat. Hier

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Verene Bentele und die Blindgängerin lächeln entspannt in die Kamera.

Eine Schiffsfahrt mal ganz anders!

Nach sintflutartigen Regenfällen Ende Juni hieß es in Berlin vielerorts „Land unter“! Auf Straßen, die zu Wasserstraßen wurden, paddelten die Leute mit Schlauchbooten herum. Für größere Boote reichten die Pegelstände dann aber doch nicht. Pegelstände hin oder her, um Fahrt aufnehmen zu können, benötigt die „MS Bundesteilhabegesetz“ nicht einmal die berühmte Handbreit Wasser unterm Kiel. Sonst wäre das reibungslose Anlegemanöver des Dampfers am 17. Mai in der Karl-Marx-Allee sogar im ersten Stock des Café Moskau wohl kaum möglich gewesen. Dort hatte Verena Bentele, die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, anläßlich ihres Jahresempfangs zu dieser mal ganz anderen Schiffspartie eingeladen. Es ist ein alter Brauch, Schiffen bedeutungsschwangere Namen zu geben. Die zweiköpfige Crew, Suzie Diamonds (Susanne Plassmann) und der vielleicht weltweit einzige Kapitän im Rollstuhl, Käptn Wheelchair (Maximilian Dorner), hat sich natürlich etwas dabei gedacht, die „MS Bundesteilhabegesetz“ auf diesen nicht gerade blumigen Namen zu taufen! Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen wurde letztes Jahr verabschiedet. Von Teilen der Politik als die Errungenschaft schlechthin gefeiert, schlugen die Wellen der Empörung über dieses Gesetz seitens der Betroffenen so hoch, daß der Dampfer eigentlich immer noch Schlagseite haben müßte. Zunächst begrüßten Suzie Diamonds und Käptn Wheelchair die ca. 500 geladenen Passagiere an Bord, in dem riesigen Saal des Café Moskau. Dann moderierten und kabarettisierten die beiden sehr kurzweilig durch den 90-minütigen offiziellen Teil der Veranstaltung. Zwischen den drei Redebeiträgen, einer akrobatischen und den musikalischen Einlagen teilten sie kräftig aus und legten ihre Finger immer wieder in die offene Wunde Barrierefreiheit und Bundesteilhabegesetz. Ich war übrigens einer der mehr oder weniger blinden Passagiere. Für die Gäste mit Hörbeeinträchtigungen wurden die Wortbeiträge von Gebärdendolmetschern übersetzt. Und für die blinden Passagiere gab es natürlich eine live eingesprochene Audiodeskription. Um die Beschreibung der Deko und der an Bord agierenden Leute auch ins Ohr zu bekommen, hätte ich mir ein kleines Empfangsgerät aushändigen lassen müssen. Das hatten aber weder der nette junge Mann vom Service, der mich an meinen Platz geleitete, noch ich auf dem Schirm. Und das war sehr blöd, vor allem von mir und für mich! So oft wie möglich half mir der freundliche ältere Herr neben mir über dieses Manko hinweg. Als Ehrengast hielt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die erste Rede, in der er unter anderem ein Ende der Diskriminierung forderte: „Berührungsängste und Vorurteile verschwinden nur, wenn Menschen mit und ohne Behinderung sich begegnen.“ Bei der Inklusion müßten so viele Menschen wie möglich mitmachen, meinte er weiter. Da hat er uneingeschränkt recht! Aber ich glaube, daß von den ca. 500 Gästen aus Politik, Verbänden und Selbsthilfeorganisationen kaum jemand diesbezüglich sensibilisiert oder motiviert werden mußte. Das ist das alte Problem: Erreichen müßte man diejenigen, die nicht da sind. So beispielsweise die Mehrheit der Abgeordneten, die bei einer Ansprache von Verena Bentele im Plenarsaal des Bundestages mit Abwesenheit glänzten. Jetzt zwischendurch mal ein Beispiel, wie’s gehen kann! Nachdem ich mit meinem 24-jährigen Neffen neulich zum ersten Mal gemeinsam im Kino war, hat er anschließend darüber geschrieben und seinen Bericht auf Facebook gepostet. Theoretische Reichweite: Seine rund 700 meist gleichaltrigen Facebook-Freunde. Mich hat der Artikel so berührt, daß ich diesen demnächst hier in meinem Blog veröffentliche! An Bord ging es dann weiter mit dem Impulsvortrag der Zukunftsforscherin Cornelia Daheim zum Thema Zukunft der Arbeit und Chancen der Digitalisierung. Erinnern kann ich mich nur noch an eine ihrer Thesen, die mich ein wenig befremdete. Sie geht nämlich davon aus, daß es in 10 Jahren keine persönlichen Bewerbungsgespräche mehr gibt, und sieht darin eine große Chance für die Mitbewerber mit Behinderungen. Ob vor oder nach Frau Daheims Vortrag, den ungefähren Wortlaut der Begrüßung durch die Gastgeberin Verena Bentele habe ich noch im Ohr: Wie schön, Sie hier heute alle zu sehen! Mit ihren Augen wahrgenommen hat sie uns natürlich nicht, weil sie von Geburt an blind ist. Mir gefällt ihre unverkrampfte und offene Art zu sprechen und ich habe ihr gerne zugehört. Ich beschränke mich hier auf diese Stichworte ihrer Rede: Seit fünf Monaten können bei einer Schlichtungsstelle Diskriminierungsfälle nach dem Behindertengleichstellungsgesetz angezeigt werden. Für die Zukunft wünscht sie sich eine Verpflichtung der Privatwirtschaft zur Barrierefreiheit und ein uneingeschränktes Wahlrecht für die Menschen mit einer umfassenden rechtlichen Betreuung. Auch dieses Jahr werde dieses Recht ca. 81.000 Menschen versagt. Zum Bundesteilhabegesetz äußerte sie: „Nach der Reform ist vor der Reform, die Bemühungen um Teilhabe müssen weitergehen.“ Und wie geht es mit Verena Bentele nach der Bundestagswahl weiter? Wenn es nach ihr geht, wie gehabt. Sie will weitermachen und dafür hat sie aus folgenden Gründen meinen vollen Respekt! In Deutschland leben rund 10 Millionen Menschen mit den verschiedenartigsten Behinderungen. Deren kleinster gemeinsamer Nenner sind die gleichen Bedürfnisse, wie sie jeder andere Mensch eben auch hat, nämlich z.B. Wohnen, Arbeiten, Bildung, soziale Absicherung, Mobilität, Sport, Kultur und vielleicht auch einfach mal nur Spaß an der Freud haben! Die großen Unterschiede liegen je nach Art der Beeinträchtigung in den Barrieren, welche die Befriedigung dieser Grundbedürfnisse erschweren oder unmöglich machen. Man kann sich leicht vorstellen, wieviele Einzelpersonen, Verbände und Selbsthilfegruppen sich mit ihren vielfältigen Nöten und hohen Erwartungen an Verena Bentele und ihr 20-köpfiges Team wenden. Dabei ist der Handlungsspielraum der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, so beeindruckend dieser Titel auch klingen mag, sehr begrenzt. Sie kann keine Gesetzesvorlage ins Kabinett einbringen, sondern nur bei dem jeweils zuständigen Ministerium anklopfen und die Berücksichtigung ihrer Belange in den entsprechenden Gesetzen fordern. Irgendeine Macht zur Entscheidung besitzt sie nicht. So sitzt sie quasi zwischen zwei Stühlen und das stelle ich mir auf Dauer sehr anstrengend vor! Vielleicht ließe sich einmal über eine Stärkung der Position der Beauftragten nachdenken. Handfeste formale Befugnisse und rechtliche Werkzeuge z. B. im Gesetzgebungsverfahren wären nicht nur in ihrem Interesse, sondern gerade auch in dem der Millionen Menschen, für die sie sich einsetzt. Ob Verena Bentele nach der Bundestagswahl im Amt bleibt, entscheidet der oder die nächste Bundesminister*in für Arbeit und Soziales. Aber noch ist sie da und nach dem offiziellen Teil ergoss sich die Gesellschaft bei

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Die Blindgängerin steht hinter einer brusthohen Kommode und stopft Zehn-, Zwanzig- und Fünfzig-Euroscheine in ein großes Sparschwein, auf dem das Logo der Kinoblindgänger gemeinnützige GmbH abgedruckt ist.

Kinoblindgänger gGmbH ist drin!

Das Schwein galt schon immer als Glücksbringer und Symbol der Fruchtbarkeit, Nützlichkeit und Genügsamkeit. Es vermehrt sich fleißig, ist ein dankbarer Resteverwerter und diente früher während der Winterzeit als Protein- und Fettspender. Dieses positive Image wird die Menschen einst dazu bewogen haben, Behältnissen zum Sammeln und Sparen von Münzen die Form eines Schweins zu geben. Das Sparschwein erfreut sich bis heute großer Beliebtheit. Deutschlands ältestes Exemplar soll aus dem 13. Jahrhundert stammen und ist im Weimarer Museum für Ur- und Frühgeschichte ausgestellt. Wegen des Fotos für diesen Blogbeitrag wurde auch ich glückliche Besitzerin eines Sparschweins und das hat jetzt ein schönes Stammplätzchen auf dem Küchentresen. Um den Umweg über diese Piggy Bank (Sparschwein auf Englisch) zu vermeiden, hat die Kinoblindgänger gemeinnützige GmbH ab sofort bei betterplace auch ein digitales Plätzchen. Die Online-Spendenplattform betterplace.org hat die Rechtsform einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft, der gut.org. Sie ist Deutschlands größte Internet-Spendenplattform, wurde 2007 gegründet und hat ihren Sitz in Berlin. Soziale Projekte aus der ganzen Welt können dort kostenlos Geld- und Zeitspenden sammeln. Hier ist ein Link zu unserer Projektseite und unserem virtuellen Sparschwein bei betterplace: https://betterplace.org/p49608 Auf der Blogseite links ist auch ein einfacher Spendenbutton von betterplace zu finden. Nach „Welcome to Norway“ freut sich Marie schon auf weitere ausländische Arthousefilme, die sie gemeinsam mit ihren Freunden und Audiodeskription im Kino erleben kann. Quasi als Weihnachtsgeschenk gibt’s ja schon bald die schwedische Weihnachtskomödie „Eine schöne Bescherung“ ab dem 22. Dezember. Nächstes Jahr im Februar geht es weiter mit „Mein Leben als Zucchini“! Die barrierefreie Fassung für diesen Film hat die Kinoblindgänger gGmbH als Projekt bei betterplace eingestellt. Weil dort nur 250 Zeichen, das ist fast nichts, zum Vorstellen des Films vorgesehen sind, tue ich das hier noch einmal detaillierter: Kinostart dieses großartigen Animationsfilms für die ganze Familie aus der Schweiz/ Frankreich ist der 16. Februar 2017. Auf  dem weltweit wichtigsten und größten Festival für Animationsfilm in Frankreich gewann er im Sommer den Publikumspreis. Zur bezaubernden Musik der Schweizerin Sophie Hunger erleben wir die berührende Geschichte eines neunjährigen Jungen mit dem Spitznamen Zucchini. Nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter wird er in einem freundlichen Kinderheim untergebracht. Damit auch Kinoblindgänger – groß wie klein – verfolgen können, wie Zucchini sich in seinem neuen Zuhause einlebt, seine Trauer überwindet und neue Freunde findet, beschreibt eine Autorin möglichst viele optische Details. Auf unserer Seite bei betterplace habe ich den Bedarf für dieses Projekt mit 6.380,00 Euro angegeben. Ich will aber nicht einfach eine Summe in den Raum stellen. Für Interessierte folgt daher eine kurze Aufstellung, wie sich dieser Betrag zusammensetzt: Honorar der Hörfilmautorin:                                                           €       800,00 Redaktionelle Mitarbeit als blinde Hörfilmbeschreiberin:        €           0,00       (Mache ich selbst.) Sicherheitshalber überarbeitet eine dritte Person den Text:    €       240,00 Honorar der Sprecherin:                                                                   €       570,00 Aufnahme und technische Aufbereitung (Tonstudio):               €    2.380,00 Erstellung der Untertitel für Gehörlose:                                        €    1.200,00 Kosten der Bereitstellung bei den Apps Greta und Starks:        €    1.190,00 ____________ Summe:                                                                                                €   6.380,00 Dank der Apps können sich Kinoblindgänger (App Greta) und Gehörlose (App Starks) mit ihren Smartphones im Kino ihrer Wahl die Audiodeskription ins Ohr flüstern bzw. die Untertitel vors Auge bringen lassen. Das funktioniert auch später vor dem heimischen Fernseher, z. B. mit einer DVD, Blu-ray oder Video-on-Demand. Der Film „Mein Leben als Zucchini“ ist mit 66 Minuten recht kurz. Längere Filme verursachen (leider) auch entsprechend höhere Kosten. Aber es gibt ja nun das Sparschwein, hoffentlich wird es gut gefüttert! Wie schön es doch manchmal sein kann, ein Schwein zu sein!

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Doppelte Premiere!

Einen Tag vor dem regulären Kinostart fand am 12. Oktober im größten Kinosaal der Berliner Kulturbrauerei die Premiere von „Welcome to Norway“ statt. Für mich war dieser Abend eine doppelte Premiere: Zum einen fiel an diesem Abend der Startschuß für die Kinoblindgänger gemeinnützige GmbH, die als ihr erstes Projekt für genau diesen Film die barrierefreie Fassung ermöglicht hat, mit Hilfe des Filmverleihs Neue Visionen. Zum anderen durfte ich zum ersten Mal in meinem Leben vor einer Leinwand in Berlin stehen und in einem sehr gut besuchten Kinosaal zum Publikum sprechen. Der Filmkritiker Knut Elstermann moderierte den Abend und begrüßte nicht nur den aus Norwegen angereisten Regisseur Rune Denstad Langlo und Torsten Frehse von Neue Visionen Filmverleih, sondern auch mich. Was ich genau von mir gegeben habe, ist in dem Video für die Nachwelt festgehalten. Der Film läuft jetzt bereits in der dritten Woche und in immer mehr Kinosälen!

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Zu Gast in Leipzig bei der Filmkunstmesse

„Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da, die Nacht ist da, daß was geschieht!“ Weiter im Text des uralten Gassenhauers heißt es dann unter anderem: „Die Nacht, die man in einem Rausch verbracht, bedeutet Seligkeit und Glück“ oder „Rebellion, Rebellion in den Katakomben“ Als Erster sang der Schauspieler Gustaf Gründgens diese Zeilen in dem Film „Tanz auf dem Vulkan“. Der Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels war über die Handlung und die Filmmusik nicht unbedingt erfreut. Trotzdem lief dieser Film im Jahr 1938 erstaunlicherweise unzensiert in den Kinos des Deutschen Reichs. Ich habe nicht auf dem Vulkan getanzt, rebelliert oder mich über die Maßen alkoholisch berauscht. Aber zum Schlafen bin ich nicht nach Leipzig gekommen. Und so waren meine Leipziger Nächte sehr lang, spannend, lustig und hochinteressant. Ich bereue keine schlaflose Minute. Zum 16. Mal veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater e.V. in Leipzig die Filmkunstmesse. Leipzig kann nämlich nicht nur Bücher, sondern auch Filme! Vom 19. Bis 23. September fanden sich dieses Jahr über tausend Kinobetreiber, Verleiher und Fachleute der Arthouse-Branche in der Messestadt ein. An zwei Tagen mischte sich auch die Blindgängerin als Vertreterin der Ki-noblindgänger gemeinnützige GmbH gemeinsam mit Lena unters Kinovolk. Nur wer ein Badge um seinen Hals trug wie früher die Schlüsselkinder den Hausschlüssel, hatte freien Zutritt zu allen Kinovorstellungen, Veranstaltungen und natürlich zu den abendlichen Partys und Preisverleihungen. Lena und ich gehörten dazu und das war ein tolles Gefühl! Ermöglicht hat das die AG Kino – Gilde, die uns freundlicherweise unkompliziert und kostenlos auf die Teilnehmerliste setzte. Dafür bedanken wir uns noch einmal herzlichst! Wir hatten also die wunderbare Qual der Wahl: Bei insgesamt 74 Filmen konnten wir uns aus Zeitgründen leider nur einige aussuchen. Konzentriert haben wir uns dabei auf ausländische Filmproduktionen, die möglichst erst im nächsten Jahr offiziell in den Kinos starten. Die Messe war die ideale Gelegenheit, sich schon einmal nach einem neuen Projekt für die Kinoblindgänger gGmbH umzuschauen. Unter den acht Filmen, die wir geschafft haben, wurden wir auch fündig! Die meisten liefen als Original mit Untertitel. Die französischsprachigen Filme verstand ich ganz gut, den auf Englisch, na ja, und beim Spanischen mußte ich dann doch weitgehend passen. Bei zwei Vorstellungen gab es die Möglichkeit, die App CinemaConnect von der Firma Sennheiser einmal auszuprobieren. Diese Gelegenheit haben wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Sennheiser ist Partner und Sponsor der Filmkunstmesse und stattete extra für diese beiden Vorstellungen zwei Kinosäle mit seiner Technik aus, einem WLAN. Zuerst loggten wir uns mit unseren Smartphones im Kinosaal in dieses Netz ein. Damit hatten wir über die App Zugriff auf die französische Originalfassung des Films „Einfach das Ende der Welt“, die wir über unsere Kopfhörer hören konnten. Auf der Leinwand wurde währenddessen die deutsche Sprachversion abgespielt. Im Prinzip hat das zwar funktioniert, allerdings benötigt man dazu Kopfhörer, die einen zu 100 Prozent von den Außengeräuschen abkapseln. Die Meinigen, übrigens von Sennheiser, sind für solche Zwecke nicht gedacht. Ich hatte mit einem leichten Knistern die französische Fassung über Kopfhörer, und viel lauter die deutsche gleichzeitig in meinen Ohren. Das war eindeutig zu viel und so habe ich nach einigen Minuten das Experiment abgebrochen. Was die App CinemaConnect noch so alles kann und wie sie sich dabei von der App Greta und Starks unterscheidet, kann man sich in dem Hörspiel unter folgendem Link einmal anhören: Ein Hörspiel Der nächste Film lud nach Norwegen ein, natürlich auch als Originalfassung, und endlich war es soweit! Torsten Frehse von Neue Visionen Filmverleih (oben rechts im Bild) begrüßte das Fachpublikum zu „Welcome to Norway“, der am 13. Oktober startet. Dann war ich an der Reihe, die Kinoblindgänger gGmbH kurz vorzustellen, und konnte mit der ersten barrierefreien Fassung für diesen Film auch schon ein Ergebnis vorweisen. Die von Neue Visionen und Kinoblindgänger gemeinsam finanzierte Audiodeskription und Untertitel waren auch schon über die App Greta und Starks verfügbar. Lena und ich konnten uns also gleich einmal die Audiodeskription von der Greta ins Ohr flüstern lassen. Der Letzte soll der Nächste werden! „Mein Leben als Zucchini“ stand als letzter Film auf unserem Programm. Das gesamte Publikum schmolz bei dem Animationsfilm dahin und ließ sich von der Musik von Sophie Hunger verzaubern. Dieser Familienfilm aus der Schweiz wird Projekt Nummer drei der Kino-blindgänger und bekommt zum Kinostart am 16. Februar 2017 eine barrierefreie Fassung. Vorher wird aber noch Weihnachten mit „A Holy Mess“ am 22.12.2016 gefeiert. Für Lena und mich hieß es nach der zweiten noch längeren Nacht, leider Abschied von der Filmkunstmesse zu nehmen. Aber nächstes Jahr hängen wir mindestens eine dritte Nacht dran!

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Auf einer Wiese unter blauem Himmel steht eine etwa einen Meter hohe Wand aus grauen Platten, obenauf liegt eine graue Röhre. An der Wand ein Schild: Achtung, Sie verlassen jetzt West-Berlin. Hinter der Mauer ist die bayerische Flagge gehißt und ein künstlicher Schweinskopf schaut über den Rand. Vor der Mauer steht die Blindgängerin. Sie trägt ein blauweißkariertes Shirt und eine kurze Trachtenlederhose. Mit einer vollen Maß Bier prostet sie in Richtung Kamera.

Schweinskopf al dente

„Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten…“ …quäkte Walter Ulbricht am 15. Juni 1961 bei einer Pressekonferenz in Ostberlin mit seiner kehligen und monoton emotionslosen Stimme. Von dieser Stunde an hing das Wörtchen „Mauer“ in der Luft und schon zwei Monate später zog sich die „Niemandsabsicht“ erschreckend real quer durch Berlin. 55 Jahre später, am 13. August 2016, war das Einzige, was während meiner knapp siebenstündigen Zugfahrt von München nach Berlin kontrolliert wurde, die Fahrkarte. Der Eberhofer Franz würde die Abschaffung der innerdeutschen Grenze vor 27 Jahren vielleicht mit einem „das ist schön“ oder „wunderboar“ kommentieren. Er ist die zentrale Filmfigur im „Schweinskopf al dente“ und sorgt als Dorfpolizist in dem bayerischen Fantasiedorf Niederkaltenkirchen für Ruhe und Ordnung. Als ob speziell für diesen Schweinskopf über Nacht zum Kinostart am 11. August 2016 eine Mauer nach Berliner Vorbild errichtet worden wäre, kann er aber die bayerische Landesgrenze nicht wie jedes andere Schwein einfach so passieren. Er darf sich nur in bayerischen Kinos aufhalten, immerhin 130 an der Zahl. Dazu hätte der Eberhofer, der nie mit seiner Meinung hinterm Berg hält, möglicherweise ein „Schweinerei“ oder „Sauerei“ gebrummelt. Dem „Winterkartoffelknödel“ und dem „Dampfnudelblues“, den beiden vegetarischen Vorgängern des Schweinskopfes, ging es diesbezüglich nicht besser. Einer der Gründe dafür könnte sein, daß in den drei urig bayerischen Kriminalkomödien natürlich die bayerische Mundart par excellence im Original und ohne hochdeutsche Untertitel gepflegt wird. Ausgedacht hat sich die mittlerweile sieben in sich abgeschlossenen Kriminalgeschichten rund um das 1000 Seelen zählende Niederkaltenkirchen die Münchnerin Rita Falk. Bis auf den Schweinskopf haben alle Titel mit typisch bayerischen Gerichten zu tun. Die Frau war wohl auch beim Schreiben entweder sehr oft hungrig oder wollte ihren Lesern einfach nur so den Mund wässrig machen. Beim Hören der ersten drei Romane hätte ich mich am liebsten zur obercoolen Oma vom Franz mit an den Tisch gesetzt. Da gab es Knödel, Schweinsbraten mit Soße, Haxen, lauwarmen Kartoffelsalat und Früchtequark und Apfelstrudel und so weiter. Einen Durscht muß die Autorin ebenso gehabt haben. Zum Feierabend trifft man sich in der Dorfkneipe vom Wölfi mit reichlich Bier zu vielen Prosits auf die Gemütlichkeit. Dem dorfansässigen Ein-Mann-Sanitärbetrieb hat sie gleich den Namen der in Rosenheim ansässigen Flötzinger Privatbrauerei verpaßt, die schon im Jahr 1543 gegründet wurde. Deshalb genehmigten auch wir uns zur Stärkung vor dem „Schweinskopf al dente“ auf der Leinwand ein allerdings anderes Teil vom Schwein ganz real auf dem Teller, dazu ein zünftiges Weißbier. Dann ging es zum Cadillac Veranda Kino am Münchner Rosenkavalierplatz. Im diesem Kino sitzt man nicht nur einfach in einem Kinosaal, sondern wie in einem überdimensionierten Cadillac. Kurz bevor die Vorstellung Fahrt aufnimmt, blickt man noch einmal prüfend in den gigantischen Rückspiegel. Dann erst wird dieser hochgefahren, um die Sicht auf die Leinwand freizugeben. Für mich war es dann an der Zeit, die über die App Greta auf meinem Smartphone mitgebrachte Audiodeskription zu starten. Neben unzähligen visuellen Schmankerln beschrieb der Sprecher mit seiner sehr angenehmen Stimme, aus der das Bayerische gerade noch so herauszuhören war, die teilweise schon recht skurrilen Bewohner Niederkaltenkirchens. Falls sie nicht zwischendurch versterben, tauchen sie in zumindest den ersten drei Krimis immer wieder auf und genau davon leben diese Geschichten. Es kommen aber auch immer wieder Fremdlinge dazu, wie z. B. Mörder, Leichen oder wie hier der Schweinskopf, der gezielt als angsteinflößendes Objekt herhalten muß und diese Aufgabe auch einwandfrei erfüllt. Bei allen drei bis jetzt in den Kinos gelaufenen Filmen hatte ich den Eindruck, als ob die von Rita Falk erdachten Figuren einfach so aus den Büchern auf die Leinwand gesprungen wären. Aber das Herüberbringen der Stimmung in der bayerischen Provinz, so wie man sie sich vorstellt, und die Handlung mit ihrer Situationskomik ist dem Schweinskopf mit Abstand am besten gelungen! Der Franz Eberhofer ist der Einzige, der es mit allen anderen Figuren zu tun bekommt, und zwar ob er will oder nicht. Er ist Sohn, Enkel, Bruder, Schwager und Onkel, locker verbandelt mit der Susi, Kunde beim Metzger Simmerl, dem „Heizungs-Pfuscher“ Flötzinger und Stammgast beim Wirt Wölfi. Der Rest ergibt sich aus seiner Funktion als Dorfpolizist. Das alles scheint der Schauspieler Sebastian Bezzel auch dank des sauguten Zusammenspiels mit all den anderen charismatischen Darstellern genauso leicht zu stemmen wie einen Maßkrug. Nach einer ganz kurzen Gewöhnungsphase konnte ich den bayerischen Wortgefechten problemlos folgen, das mit dem Maßkrug war da schon viel schwerer! Und wer weiß, vielleicht schafft der Schweinskopf ja noch mit letzter Kraft den Hopser über die Mauer und beglückt Kinobesucher auch über die bayerische Grenze hinaus. Schaun mer mal!

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