„Das Leben ist kein Wunschkonzert“
Mit dieser gerappten Erkenntnis beginnt der Refrain des Songs „Wünsch dir was“ der Hip-Hop-Band Genetikk aus dem Jahr 2015. Die Toten Hosen hatten schon vor 23 Jahren auf ihrer LP „Kauf mich!“ einen gleichlautenden Titel natürlich im Stil des Punk Rock veröffentlicht.
Abgesehen von den Passagen, die von einem Kinderchor gesungen werden, haben die beiden Versionen von „Wünsch dir was“ nichts gemeinsam.
Ob man nun Fan von Rap ist oder diesen eher als Nörgelgesang abtut, die Band Genetikk setzt sich in ihrem Werk intensiv und sozialkritisch mit den Risiken und Nebenwirkungen des Wünschens auseinander.
Auch Wilhelm Hauff erzählt in „Das kalte Herz“ eine seitdem bereits mehrfach verfilmte Geschichte rund um das Wünschen und was dabei alles schieflaufen kann.
Der Regisseur Johannes Naber wiederum erfüllte sich mit seinem vor kurzem in den Kinos gestarteten Film „Das kalte Herz“ seinen Wunsch, einmal ein Märchen zu drehen.
Also, es war einmal ein junger Mann namens Peter Munk, der mit seinen Eltern im Schwarzwald in der Nähe des Dorfes Gutach lebte, nein, im Film lebt er!
Dort gehen Vater und Sohn dem Handwerk der Köhlerei nach und produzieren Holzkohle, indem sie Holz in ihrem Kohlenmeiler verschwelen.
Holzkohle, die heute nur noch in Grills geschüttet wird, brauchte man damals unter anderem für die Glasherstellung und die Verarbeitung von Edelmetallen. Aber als Wilhelm Hauff um 1825 sein Märchen schrieb, hatte der Verdrängungsprozeß der Holzkohle durch die Steinkohle schon längst begonnen.
Die wirtschaftliche Lage der Köhlerfamilie Munk ist alles andere als rosig. Rußverschmiert versuchen sie in der Umgebung, mit ihrer schmutzigen Holzkohle goldene Kohle zu machen, und werden dabei von den Dorfbewohnern behindert, bedroht und boykottiert. Wie gering der Berufsstand der Köhler geschätzt wird, bekommt Peter auch im Wirtshaus zu spüren. Dort wird er verspottet und bei der Kirmes vom Tanzboden verjagt.
Aber glücklicherweise ist die Märchenfigur Peter Munk ein Sonntagskind und hat deshalb beim Glasmännchen drei Wünsche frei.
„Paß gut auf, was du dir wünschst“
Diesen Ratschlag der Rapper sollte man unbedingt beherzigen, wenn klar ist, daß sich das Gewünschte unwiderruflich erfüllt. Aber wen hätte der Kohlenmunk-Peter nach dem plötzlichen Tod seines Vaters zu den Risiken und Nebenwirkungen befragen sollen?
In den Bergen unter einer riesigen Tanne trifft er schließlich das Glasmännchen, einen den Menschen wohlgesonnenen Waldgeist, und vergeigt’s prompt.
Mit seiner herrlich knarzenden Stimme regt sich das Glasmännchen ganz fürchterlich über so wenig Verstand beim Wünschen auf.
„Jedem Wunsch folgt eine Konsequenz“, rappt es weiter.
Peters erster Wunsch, der beste Tänzer im Dorf zu sein, ist genauso unsinnig wie harmlos in seiner Konsequenz. Das Herz der anmutigen Lisbeth, das er mit seinen Tanzkünsten zu gewinnen erhofft, hatte er doch schon erobert, ohne es zu ahnen.
Der zweite Wunsch, im Wirtshaus immer exakt genauso viel Geld in den Taschen zu haben wie der reiche Holzhändler Etzel, ist genauso dumm wie ruinös.
Wie gewonnen, so zerronnen! Also muß er sich noch einmal hilfesuchend in den finsteren Wald wagen.
Die Römer mieden vor 2000 Jahren die riesige, dunkle und scheinbar undurchdringliche Waldfläche, die sie von den Höhen der Alpen aus erblickten. Es heißt, sie gaben ihr damals den Namen „silva nigra“, schwarzer Wald.
Wunsch Nummer drei, Besitzer der größten Glasmacherei zu sein, hilft ihm auch nicht aus seiner Not, weil er die Kunst des Glasmachens nicht beherrscht.
„Wir sind gierig und das ist, was uns vernichtet“, so die Hip-Hopper.
Ganz in der Nähe des Glasmännchens treibt ein weiterer Waldgeist, der menschenverachtende riesige Holländer-Michel, in einer Felshöhle sein teuflisches Unwesen.
Jeder, der dessen großzügige finanzielle Unterstützung annimmt, verläßt die Höhle als ein anderer Mensch und wird bis an sein Lebensende nie mehr sein Herz spüren.
„Und die Moral von der Geschichte, all unsere Wünsche kosten Seelen“
Diese Zeile aus dem Song „Wünsch dir was“ beschreibt ganz treffend den Scherbenhaufen, den der Peter nach seinem Besuch beim Holländer-Michel mit seiner Herzlosigkeit und Skrupellosigkeit angerichtet hat.
Aber Ende gut, alles gut, und er bekommt gerade noch rechtzeitig die Kurve.
Die Drehbuchautoren hielten sich nicht gerade strikt an das ursprüngliche Märchen und die früheren Verfilmungen.
Meine Erinnerungen an „Das kalte Herz“ aus der Schulzeit sind nur noch rudimentär. Deshalb konnte ich mich im Kino vom Geschehen auf der Leinwand und der mystischen Stimmung einfach mitreißen lassen, ohne auf ein bestimmtes Ereignis oder Detail zu lauern oder mich über etwas Unerwartetes zu wundern.
Ich habe mich schön gegruselt, geschaudert oder mich einfach von den vielen tollen Stimmen und der Musik verzaubern lassen.
Die vielen Menschen, die zu den tollen Stimmen gehören, kann ich unmöglich alle aufzählen, also lasse ich es ganz sein.
Für die Audiodeskription hätte man keine passendere Stimme auswählen können.
Die Sprecherin erzählte mit ihrer natürlichen und doch geheimnisvollen, eher tieferen und ruhigen Stimme von den Guten und den Bösen, deren Bekleidung und dem Treiben im Dorf.
Auch die beeindruckende Kulisse des Schwarzwaldes, die Natur und die doch sehr gruseligen Szenen in der Höhle des Holländer-Michel wurden so ausführlich wie möglich beschrieben.
Hier gibt es ein kurzes Hörbeispiel.
Aber jetzt ist die Märchenstunde vorbei und ich halte es mit der letzten Zeile von “Wünsch dir was” und
„mach die Augen zu und wünsch mir was“.