„Er hat den Barbie-Koffer vergessen, mein Opa!“
Kaum hatte die Premierenvorstellung am pinkfarbenen Teppich von
„Barbie“
im Theater am Potsdamer Platz begonnen, erwachte in mir das kleine Mädchen von damals und es schoss mir durch den Kopf:
„…bei meiner Seel‘, wie ist es meiner Barbiepuppe damals bloß ergangen?“
Der auf dem Autodach abgestellte blaue Plastikkoffer, kaum größer als ein Schuhkarton, wird bei der ersten Kurve in den Schweizer Bergen im hohen Bogen am Straßenrand in einem riesigen Schneehaufen gelandet sein. Ich stellte mir vor, wie meine Barbie-Puppe zuerst mächtig durchgeschüttelt und vielleicht aus dem Koffer herauskatapultiert wurde. Oder in ihrer Behausung zusammengekauert vor Kälte schlotterte oder sogar von einem Schneepflug zermalmt wurde?
Und im Nachhinein gefragt: Welche Folgen hatte das Schicksal meiner Puppe für ihr Pendant im Barbie-Land?
Diesen Ort in Pink und aus Plastik kreierten Noah Baumbach (Drehbuch) und Greta Gerwig (Drehbuch und Regie).
Dort führen, wie ich das verstanden habe, alle irdischen Barbie- und Ken-Puppen als lebensgroße Plastikpuppen unter sich ein sorgloses unbeschwertes Leben.
Diese Parallelwelt ist mit allen Utensilien ausgestattet, die das Barbie-Universum so hergibt, und liebevoll bis ins letzte Detail durchgestylt.
Morgens erwacht Barbie, ganz zauberhaft gespielt von Margot Robbie, in ihrer Traumvilla in einem Bett in Form einer Muschel unter einer Glitzerdecke. Im Badezimmer steht sie unter der Dusche, aus der natürlich kein Wasser kommt, und die Haarbürste schwebt über ihrem blonden langen Haar. In der geräumigen Küche springt eine Waffel aus dem Toaster. Herzallerliebst ist das kleine Sahnehäubchen, das heranschwebt und zielsicher auf der Waffel landet. Dann schaut auch noch das Sahnehäubchen namens Ryan Gosling als ihr Freund Beach-Ken vorbei!
Ach ja, das Leben ist so schön und könnte eigentlich auf ewig so schön weitergehen!
Aber plötzlich bekommt Barbies Glücksendlosschleife einen Knacks, und dann auch noch diese Plattfüße und Cellulitis!
Jetzt kommt im Film die reale Welt ins Spiel und auf die dramatische Lage meiner Barbie-Puppe übertragen könnte es sich Mitte der 60er Jahre folgendermaßen zugetragen haben:
In der Parallelwelt läge Barbie mit Frostbeulen und Schüttelfrost in ihrer Muschel. Trotz hohen Fiebers hätte sie sich gemeinsam mit Ken auf den Weg in die Schweizer Alpen gemacht. Inzwischen von Puppen zu Menschen aus Fleisch und Blut geworden, würden sie im perfekten Ski-Outfit gekonnt die Berge herunterwedeln, das Auto meines Opas finden, anhalten und mit Opas Hilfe meine Barbie aus einem Schneehaufen wie aus einer Lawine bergen oder den Koffer gerade noch vor dem heranfahrenden Schneepflug retten.
Was für eine fast filmreife Geschichte. Ich hätte als damals Siebenjährige mit im Auto nicht schlecht gestaunt, Barbie und Ken in Lebensgröße und als Menschen zu treffen!
Aber halt, ganz so war es doch nicht.
Der Barbie-Koffer wurde nur beinahe vergessen und im letzten Moment vor der Heimfahrt wohl doch noch eingepackt. Jedenfalls versicherte mir meine Schwester, daß sie später und sogar ihre Söhne Anfang der 90er Jahre mit meiner Barbie samt Koffer spielten.
Was für ein Glück für meine Barbie, die durch so viele Kinderhände ging und der Opa ist rehabilitiert!
Ich kann mir meinen Irrtum nur so erklären, daß mein Interesse schon wegen der fisseligen kleinen Klamotten und den vielen winzigen Schühchen, bei denen immer einer fehlte, doch stark nachgelassen hatte.
Aber der Film „Barbie“ ist einfach wundervoll!!!
Und ich tu’s noch einmal, Barbie, natürlich wieder mit Audiodeskription über die Greta App!
Ich ziehe meinen Hut vor dem Beschreiber-Team Silke Nagel und Jonas Hauer.
Bei den vielen Barbies, Kens und den schier unendlich vielen Details nicht den Überblick zu verlieren und sich auf die wichtigsten zu konzentrieren, war bestimmt die größte Herausforderung. Und dann noch die Tanzszenen!
Die für mich bis jetzt unbekannte Sprecherin Larissa Koch war eine sehr gute Wahl! Auch wenn es noch so turbulent wurde, behielt sie die Ruhe und zwischen dem vielen Geplapper der Barbies hob sich ihre Stimme sehr gut ab.
Ein besonders großes Dankeschön geht an Warner Bros. Ohne das Engagement des Verleihs hätte ich bei „Barbie“ in die Röhre geguckt. Kaum auszuhalten der Gedanke, daß wirklich alle außer mir über den Film mit der berühmtesten Puppe der Welt sprechen, die übrigens nicht nur meine Namensvetterin, sondern auch genauso alt ist wie ich!
Und wegen des pinkfarbenen Fadens:
Wie von Nina Hagen gesungen, den Farbfilm zu vergessen, hätte bei der Premiere fatale Folgen gehabt:
„Nun glaubt uns niemand, wie schön‘s hier war – haha!
Du hast den Farbfilm vergessen, bei meiner Seel‘,
alles pink und pink und pink und später nicht mehr wahr!“