Guten Tach, Helge Schneider!
Und um Haaresbreite hätten wir uns ziemlich schnell wieder von ihm verabschieden müssen.
Helge sitzt auf einem schwarzen Sessel und klimpert auf einer uralten elektrischen Orgel. Das Scheinwerferlicht richtet sich nur auf Helge, der Rest des Raumes bleibt im Dunkeln.
Andrea Roggon, die Regisseurin im Off, fragt Helge nach seinen Gedanken zu dem großen Begriff „Freiheit“, die einem ja nicht einfach so gegeben wird.
Ohne lange zu überlegen, meint er: „Nein, die muß man sich nehmen. Und das mach‘ ich jetzt.“ Steht auf und verläßt einfach die Szene.
Aber keine Angst, er kommt sofort und für die nächsten ca. 100 Filmminuten wieder zurück.
Was in diesen Minuten passiert, kann ich nur versuchsweise wiedergeben, weil im eigentlichen Sinne des Wortes „passieren“ nichts passiert.
Mit dem Film versucht Andrea Roggon, Helge Schneider zu portraitieren, und hat ihn dafür über einen Zeitraum von vier Jahren interviewt und in allen möglichen und unmöglichen Lebenslagen gefilmt.
Der Versuch des Portraits ist ihr gelungen, rausgekommen ist Helge Schneider!
Ich habe ihm gerne zugehört, wenn er ruhig mit seiner angenehmen Stimme und dabei immer auf einem Musikinstrument improvisierend in die Kamera plauderte, konnte mir nur leider keine seiner Lebensweisheiten merken. Ich mag auch gar nicht spekulieren, ob er selbst das konnte…
Ausgetobt hat er sich hinsichtlich seiner Verkleidungsmacke und beim Dekorieren seiner Szenenbilder draußen wie drinnen, durch die er Grimassen schneidend mit den schrägsten Verrenkungen tänzelt.
Einmal dürfen wir ihn bei einem Spaziergang auf Feldwegen mit seinen beiden Hunden begleiten. Der Spitz und der Dackel verschwinden auf Handzeichen ins Gebüsch oder machen das, was Helge so einfällt. Daß er die beiden einmal an die Leine nimmt, kann man sich nur schwer vorstellen.
Auf der Ruhr paddelt er durch die herunterhängenden Zweige der Weiden. Er duckt sich nicht, er schiebt die Zweige nicht beiseite. Er läßt die Blätter über sein Gesicht streifen, will die Natur hautnah erleben.
Über sein Privatleben erfährt man erwartungsgemäß nix.
Nur einmal, als er von seiner Begegnung mit Pferden erzählt und wie er mit den Tieren umging, kommt er auf seine Kinder zu sprechen. Er habe bei den Pferden wie bei seinen Kindern so wenig wie möglich regulierend eingegriffen, oder so ähnlich?
Zwischendurch gibt’s immer wieder was für die Ohren!
Der begnadete Musiker Helge setzt sich an eine Orgel, ein Klavier oder greift sich eines der anderen Instrumente, die er mit einer bewundernswerten und zu beneidenden Leichtigkeit spielt. Auch an Konzertmitschnitten wird nicht gespart.
Für einige Minuten gestattet er uns Einblicke in die harte Probenarbeit mit seinen immer hervorragenden Musikern.
Das bei den Konzerten spontan wirkende Hin und Her zwischen Helge und seiner Band ist haargenau festgelegt und muß exakt nach seinen Vorstellungen ablaufen.
Der krönende Abschluß war das bei seinen Fans zu den Favoriten gehörende spanische Gedöns. Wenn Helge den Flamenco-Gitarristen und -Sänger gibt, bis die Finger endgültig zwischen den Saiten festhängen, bleibt kein Auge trocken!
Wer Helge mag, mag auch den Film!
Vor 12 Jahren war ich das erste Mal zunächst sehr widerwillig auf einem Helge-Konzert, schließlich kannte ich wie die meisten auch nur das „Katzeklo“. Ich hatte dann aber soooo viel Spaß, daß ich seitdem versuche, keinen seiner Berliner Auftritte zu verpassen. Daß ich einmal selbst als Helge-Imitat auf der Wiese stehen würde, hätte ich mir damals nie träumen lassen, aber so kann’s kommen!
Bis jetzt kannte ich Helge „nur“ über meine Ohren.
Dieses Mal hatte Greta einmal wieder Ausgang und jetzt kann ich mir eine Vorstellung über Helges Erscheinung im weitesten Sinne und seine Bewegungsabläufe machen.
Dieser Kinobesuch war auch deshalb ein ganz besonderer, weil wir eine wenn auch kleine Gruppe Kinoblindgänger waren, um genau zu sein: Mit mir drei. Und dann haben wir noch einen weiteren Besucher mit dem weißen Stock entdeckt.
Das macht Hoffnung!!!
Über die Ausführlichkeit der Hörfilmbeschreibung gingen die Meinungen etwas auseinander. Die anderen beiden hätten sich eine detailliertere Beschreibung gewünscht, wofür auch Zeit gewesen wäre.
Das mag für die eine oder andere Stelle zutreffen. Grundsätzlich gebe ich einer auf das Wesentliche beschränkten Hörfilmbeschreibung den Vorzug.
Ich höre sehr gerne zwischendurch einfach nur die Geräusche von der Leinwand und träume so vor mich hin.
Aber da sind die Geschmäcker eben verschieden.
Toll ist, daß dieses Kinoerlebnis so überhaupt möglich geworden ist!!!