Die Gärtnerin von Versailles
Es war einmal ein sehr mächtiger König, genannt der Sonnenkönig, dem wurde sein Stadtschloß in Paris, der Louvre, zu klein und so beschloß er, sich vor den Toren Lutetias nach einem geeigneten Fleckchen Erde für ein neues Zuhause umzusehen. Er liebte weite Aussichten und große Wasserflächen und so fiel seine Wahl auf das Städtchen Versailles bei Paris, in dem seinem Vorgänger Ludwig XIII. bereits ein Jagdschloß im Stil des Barock errichtet wurde. Dort war genug Platz und Raum, um das vorhandene Schloß nebst Park nach seinen Vorstellungen umzubauen und zu erweitern, und 1661 ging’s los. Schon 21 Jahre später, im Mai 1682, bezog der französische Hof das fertiggestellte Château de Versailles, so wie man es heute noch besichtigen kann. Das für den gigantischen Umfang der damaligen Arbeiten rasante Bautempo läßt den einen oder anderen Politiker, Planer, Techniker von heute bestimmt vor Neid erblassen. Aber Ludwig mußte ja auch, wenn überhaupt, nur sich selbst Rechenschaft ablegen, frei nach dem Motto „L‘ Etat, c‘est moi“. Das bedeutet extrem verkürzte Dienstwege. Der bedeutende Landschafts- und Gartengestalter André Le Nôtre konzipierte den Stil des französischen Barockparks und begann Ende 1660 als oberster Gartenarchitekt von Ludwig XIV. mit der Durchführung des Großprojekts „Schloßpark von Versailles“. Heute nennen wir das Ausschreibungsverfahren, damals kamen jedenfalls die wichtigsten und möchtegernwichtigen Landschaftsgärtner Frankreichs mit ihren Plänen zu Le Nôtre, um ein kleines Stückchen vom riesigen Auftragskuchen Schloßpark zu ergattern. Vor dieser historischen Kulisse erzählt der Film „Die Gärtnerin von Versailles“, wie sich die Landschaftsgärtnerin Sabine de Barra, eine fiktive Filmfigur, unter die männliche Konkurrenz mischt. Von dieser abschätzend und mißbilligend beäugt, hat sie auch bei Le Nôtre (Matthias Schoenaerts) erst einmal schlechte Karten. Ihre Pläne entsprechen nicht dem Prinzip des großflächigen symmetrischen Barockparks, das der Natur die Regeln der Mathematik auferlegt. Le Nôtre schmettert ihre Pläne als das totale Chaos ab. Im englischsprachigen Raum heißt der Film übrigens „A little chaos“. Beim Verlassen des Ateliers verschiebt sie einen der in Reih und Glied wie mit dem Lineal ausgerichteten und angeordneten Pflanzenkübel. Dem wachsamen Auge des Meisters entgeht das natürlich nicht. Dieser sehr kleine Eingriff in die Ordnung seiner Töpfe scheint auch in seinem Kopf etwas zu bewegen und Sabine bekommt – Ende gut, alles gut – den ersehnten Zuschlag. Die wunderschöne Gärtnerin, sehr glaubwürdig gespielt von der ebenso wunderschönen Kate Winslet, legt nun Hand an, wühlt im Schlamm, watet durchs Wasser und scheut keine noch so kräftezehrenden körperlichen Anstrengungen. Entstehen soll ein Ballsaal unter freiem Himmel in der Form eines Amphitheaters, bei dem Le Nôtre und Sabine jeweils mit ihrem Stil für die Gestaltung je einer Hälfte zuständig sind. Das enge und erfolgversprechende Zusammenwirken der beiden geht schon bald über ein reines Arbeitsverhältnis hinaus und zieht sowohl den Neid der männlichen Kollegen als auch Eifersüchteleien in der Damenwelt nach sich. Es wird, wie am Hofe üblich, intrigiert und boykottiert. Zu kämpfen hat die verwitwete Sabine auch noch mit einem traurigen Ereignis aus ihrer Vergangenheit. Die Erinnerung daran trägt sie ständig mit sich herum. Als Sabine zu Hofe zitiert wird, begegnet sie dort beide Male Liselotte von der Pfalz. Diese wurde aus machtpolitischen Gründen mit dem Bruder des Sonnenkönigs, Philipp I., Herzog von Orléans, verheiratet. Wegen dessen allgemein bekannter Homosexualität war Liselotte von Beginn an am französischen Hofe isoliert. In unzähligen Briefen, wovon heute noch einige erhalten sind, beschrieb sie sehr kritisch das höfische Leben und daß sie sich in Versailles inmitten der gepuderten Damen- wie Herrenwelt nie wohlgefühlt habe. Außerdem mußte sie von Ferne miterleben, wie die Franzosen ihre Heimatstädte Mannheim und Heidelberg inklusive des Heidelberger Schlosses in Schutt und Asche legten. Da wäre ich als gebürtige Mannheimerin und in Heidelberg aufgewachsen auch sehr böse gewesen. Hätten sich die Wege Liselottes und der Landschaftsgärtnerin wirklich gekreuzt, so wären die bodenständigen und für damalige Verhältnisse naturbelassenen Damen bestimmt beste Freundinnen geworden. Aber zu Ludwigs Zeiten hätte es niemals eine weibliche Landschaftsgärtnerin gegeben! Um Liselotte möglichst glaubhaft spielen zu können, reiste Paula Paul eigens nach Heidelberg. Sie hat die im Schloß ausgestellten Portraits der Kurpfälzerin angeschaut und sich einen Überblick über deren Leben verschafft. Das hat sich auf jeden Fall gelohnt!!! „Wir trafen uns in einem Garten!“ hätte Sabine singen können. Genauer gesagt, handelt es sich um die Königliche Baumschule, die Sabine aufsucht, um sich unter der fachlichen Aufsicht des dortigen Maestros mit Pflanzen für ihr Projekt zu versorgen. Der Maestro hatte jedoch kurz vor dem Eintreffen Sabines auf das diskrete Handzeichen des Königs das Gelände verlassen. Diesem dient die Baumschule als sein Refugium, in dem er unerkannt seinen Gedanken nachhängen und sich der bestimmt juckenden Perücke entledigen kann. An diesem Tag trauert er seiner gerade verstorbenen Gemahlin, Maria Theresia von Spanien, nach. Sabine richtet ihre Worte und Fragen an den vermeintlichen Maestro und der König läßt sich auf das Spiel ein. Sie plaudern über Bäume im Allgemeinen und Birnbäume im Speziellen, essen Birnen, bis es Sabine dämmert, wen sie vor sich hat, weil sie ihn an der Stimme erkennt. Diese Stimme gehört übrigens Alan Rickman. Er verzaubert dieses Mal sein Publikum nicht als Magier, sondern ist das Oberhaupt sowohl im Film als auch am Set! Wenigstens im Film wird einmal etwas fertig und so dürfen wir mit dem König und seinem Gefolge den übrigens real existierenden „Salle de bal“ bestaunen. Ma copine francaise konnte sich an den Kostümen, der Landschaft und „hier ein Schloß und da ein Schloß“ kaum sattsehen. Ich gehe jetzt einmal wieder in den Garten an Tulpen schnuppern!
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